20 Ultras und eine Fahne!

Hallo Bloggs,

der erste Eindruck war schon beeindruckend, eine helle Haupttribüne empfing uns und versprach große Fußballwelt. Aber irgendwie fehlte etwas, richtig, die üblichen Massen an Zuschauern. Früher war alles viel besser in der Lohrheide der SG Wattenscheid 09, denn da war Bundesliga. Man konnte Paroli bieten, zumindest für vier Jahre.

Hier gelang dem Verein aus dem Stadtbezirk Wattenscheid der Stadt Bochum eine Sensation, man wurde gar vom FC Bayern erwähnt und konnte kurzzeitig aus dem Schatten der Revierkönige S 04, BvB und Bochum treten. In dieser Zeit wurde die jetztige Haupttribüne gebaut und die SGW wähnte sich auf dem Weg zum etablierten Erstligisten. Das war zwischen 1990 und 1994. Dann folgte aber der Abstieg, der Aderlaß war zu groß. Der Abstieg ging weiter bis der Tiefpunkt schließlich 2007 erreicht war, man spielte in der Verbandsliga Westfalen 2. Wattenscheid fing sich aber wieder und feierte zwei Aufstiege. Seit 2013 ist die SGW nun in der Regionalliga West beheimat, vierte Liga also. Die Zuschauerzahlen sind dementsprechend;  bislang kamen in vier Spielen 1.200 Zuschauer im Schnitt, aber mit dem BvB II ist schon ein Zuschauermagnet da gewesen. Die Zweitmannschaften der Bundesligisten sind das Hauptproblem, sie blockieren die sportliche Entwicklung und sind unüberwindbare Hürden auf dem weiteren Weg nach oben. Aber nur solche Begegnungen spülen Geld in die Kassen, ansonsten tut sich ja an der Lohrheide nicht viel.

Gegen den SC Wiedenbrück waren sagenhafte 519 Freaks da. Die tolle Haupttribüne war logischerweise gesperrt. Es scheint eine verschworene Fangemeinde zu sein, jeder kennt hier wohl jeder jeden. Wir wurden anhand des Dialektes enttarnt und überschwenglich mit "Willkommen in Wattenscheid" begrüßt. Gäste sind selten und daher natürlich gerne gesehen. Aber ein Stadionheft gibt es, gar nicht so übel und gar in höherer Klasse anzusiedeln. Da stand dann in der Vorschau irgendwas von der vierten stärksten Liga in Deutschland, wenn nicht sogar in Europa. Nach einer Viertelstunde habe ich mich gefragt, was für Leute schauen sich dieses Gekicke an? Haben die nichts anderes zu tun? Allerdings war der Rasen auch ziemlich holprig, in diesem Fall ist diese Ausrede berechtigt. Wattenscheid hat das Spiel gegen Köln II unter der Woche verloren und wollte einen Dreier. Aber leider konnte man während der gesamten Begegnung keine einzige (!) nennenswerte Torchance erarbeiten, die Gäste waren besser und führten letztlich mit 0:1 und hatten kaum Mühe die Punkte zu sichern. Es war ein fürchterliches Gewürge, kaum Spielzüge, kaum Spielkultur. So kriegt man keine weiteren Zuschauer in die Lohrheide.

Es scheint das Problem der Region zu sein. Immer noch ballen sich die Fussballvereine auf engstem Raum, in der mobilen Welt sind Entfernungen kein Problem. Der Niedergang einer einst führenden Gegend spiegelt sich auch im Fussball wieder. Neben den Giganten BvB, S 04 und vielleicht noch Bochum fristen alle ihr kümmerliches Dasein in weit tieferen Regionen. Obwohl NRW nach wie vor das Bundesland mit den meisten Einwohnern ist, der ehemalige klassische Kohlenpott leidet unter der Globalisierung ebenso wie andere frühere Marktführer. Nach zwei Heimpleiten in Serie finden sich die Schwarz-Weissen im Mittelfeld wieder und der SC Wiedenbrück hat unmittelbar Anschluß zur Spitzengruppe. Bei aller Liebe, in der dritten Liga haben beide Vereine nichts zu suchen. Trotz aller großen Vergangenheit der SGW 09.

Logischerweise gibt es keine große Fanszene in Wattenscheid. Gegner Wiedenbrück hat anscheinend gar keine Fans, der Gästeblock war komplett leer. Aber ich habe doch erstaunlich viele Leute in einem Trikot der Hausherren gesehen, gegröhlt und gesungen haben aber nur zwanzig Leute im Block unter der kleinen Sitzplatztribüne. Die einzige, übergroße Fahne störte oftmals die Sicht und ein lauter Zwischenruf "Lappen runne" genügte, und man hatte wieder Sicht für die nächsten fünf Minuten. Waren die Ultras ruhig, war es richtig ruhig. Stur und verbissen verfolgte das restliche Publikum die Darbietung auf dem Rasen, ergeben bis zum Abpfiff. Man hat es eben schwer, in dieser Umgebung eine Fanszene zu etablieren.

Trotz allem hat es sich gelohnt. Es ist fast wie in der Kreisliga, nur ein paar Etagen höher. Alles überschaubar, alles herzlich. Die tolle Haupttribüne dürfte wohl nie mehr richtig voll werden, außer S 04 oder der BvB - die Profis - kommt mal in der Sommerpause zu einem Freundschaftskick. Dann sind die Leute da, ansonsten kommen gegen Clubs wie Verl, Rödinghausen oder Sprockhövel höchstens diese 519 Unerschütterlichen, welche einfach an ihren Club glauben. Aber dieser Glaube wird auf eine harte Probe gestellt.

Weiter tief im Westen: Dreck fressen seit 1907. So lautet der Titel der nächsten Post. Dranbleiben.

RaMü