Grand Royal Victoria Hotel !

Hallo Bluebloggs,

schon bei der Ankunft habe ich mir gedacht, "Nicht schlecht, der Schuppen". Das Royal Victoria Hotel liegt rund einen Kilometer entfernt vom Hauptbahnhof in Sheffield und ist über eine übergroße, alte Steinbrücke zu erreichen. Schon die Empfangshalle mit der Rezeption versprühte viktorianischen Charme, das "Ding" ist also schon etwas älter. "Sorry, check in is at two", riss mich die näselnde Stimme der Empfangsdame aus den Träumen. O.k., dann halt später. Zwei Stunden später stand ich wieder auf der Matte, diesmal zuckte die nette Rothaarige mit den Schultern und zeigte auf den  vornehm gekleideten Haufen in der Hotelbar.  "Heute Abend wird es sehr laut werden, wir haben ein Fest im Hause. Ich kann ihnen ihr Zimmer nicht geben, ist exakt über der "Grand Hall". Wäre es o.k., würden sie ein upgrade in einen "Executive Room" aktzeptieren?" Ich antwortete sinngemäß auf schwäbisch; wenn es nicht mehr kostet! Die Augenbrauen zogen sich fast bis zum Lampenschirm über ihr, die Dame beherrschte sich und antwortete mit eisiger Stimme, das ein solcher Service in ihrem Hause selbstverständlich ohne zusätzlichen Kosten auskommt, schließlich sei man das Royal Victoria. Also gut, her mit dem Schlüssel. Schon der Treppenaufgang war ein Erlebnis, das Zimmer kann wohl als standesgemäß eingestuft werden. Ich habe es geschafft, ich stehe auf derselben Stufe wie seine Lordschaften. Ab sofort kann ich mich auch ohne Ritterschlag als Sir bezeichnen.

Das Match in Barnsley fiel bekanntlich aus, ich bin trotzdem hingefahren. Das Ticket hatte ich ja schon, vielleicht kann man ja ein paar Bilder machen und es sind ja nur 25 Minuten Fahrtzeit. Das alles hätte ich mir sparen können, war ein Schuß in den Ofen. In Sheffield selbst schaute ich mir im Pub "Old monk" dann Liverpool gegen Swansea an und marschierte zurück in das Royal Victoria. Dort war die Party in vollem Gange, die Betrunkenen hielten sich am Tresen der Bar fest und die angetönten Gören standen mit den Zigaretten in der Treppe, bei Minustemperaturen, im kurzem Kleidchen und freiem Rücken. Trotz der Verlegung in eine "ruhige Ecke", ließ der Bass den Boden wackeln, das Schlagzeug die Fenster scheppern und der Gesang das Bett erzittern. Ich schaute fern und überbrückte die Zeit mit einem Kriegsfilm im "Yesterday Channel", passend zum Geräuschinferno. Punkt 24.00 Uhr war echt Schluß, ein letzter Seufzer aus dem Micro beendete zumindest in der "Grand Hall" das deftige Treiben, Fortsetzung war dann anscheinend an der Bar und auf den Zimmern. Eine urplötzliche bleierne Ruhe folgte und legte einen Schleier der Stille über das Royal Victoria.

Am nächsten Tag war ich dann doch etwas enttäuscht, es hatte nicht gespuckt. Eigentlich hatte ich den Geist eines ruhelosen Heizers oder so ähnlich erwartet, welcher auf der Suche nach seinem Liebchen ist, bestimmt ein Zimmermädchen. Aber man kann nicht alles haben.

Beim Frühstrück am Morgen war zunächst keine Menschenseele zu sehen, ich war der einzige Gast um 8.45 Uhr. Erst dann trudelten sie ein, die verknitterten Gesichter waren den Jeans mehr als ähnlich, seine Herrschaften sind wieder zu normalen Menschen gesunken. Vor dem Auschecken habe ich dann Bilder vom Hotelinnerngemacht, immer wenn niemand da war.

Nun noch ein klein wenig Geschichte. Im Jahre 1845 wurde die Bahnstrecke Manchester - Sheffield gebaut. Die Victoria Station schließlich 1851 in Betrieb genommen und das dazugehörige Hotel, also das Royal Victoria dann1862 eröffnet. Seine Highness, the prince and princess of Wales, später dann doch tatsächlich König Edward VII und seine Queen Alexandra waren mit von der Partie, Adel verpflichtet eben. Nach 1945 ging es bergab, der Straßenverkehr wurde immer mehr, die Mühlen geschlossen, die Kohlezüge immer weniger. Sheffield erlebte den Untergang als "Steel City", und schloß die Victoria Station dann letztlich 1989. Der Hauptbahnhof in Sheffield wurde zur endgültigen Nummer eins und die Gebäude der Victoria Station 1995 endgültig abgetragen, auch die Bahngleise verschwanden. Einzig das Hotel blieb, allen wirtschaftlichen Stürmen zum Trotz. Bis heute beherbergt es seine Gäste, laute und leise, und zur Not gibt es einen kostenlosen Upgrade. Diskretion ist alles, im Royal Victoria Hotel.

Bild: Gar nicht übel, meine "Herberge".

Bild: Alles echt !

Bild: Empfang mit Rezeption.

Bild: "Newsroom". Hier wurde einst der Tee zur Zeitung gereicht.

Bild: Das historische Treppenhaus.

Bild: Lange Gänge zum "Executive Room".

Bild: Nicht schlecht.

Bild: Hab schon schlechter gepennt.

Bild: Frühstücksraum.

Bild: Am Vorabend noch Schauplatz erbitterter "Gefechte"; die Bar.

RaMü.