Klammheimlich reformiert

  Hallo Bloggs.
 
Über das Scheitern der European Super League ( ESL ) hat ja echt wirklich jedes Drogerieblättchen voller Häme berichtet. Es zieren sich zwar die Superschuldner aus Spanien noch, aber der Käse ist zerrieben und gegessen. Sogar der finanzielle Drahtzieher und Ermöglicher dieser Liga hat es eingesehen, die Investmentbank JPMorgan hat sich entschuldigt. Die Super League ist fast tot, es lebe die Champions League.
Man könnte fast meinen, der Zeitplan war abgesprochen. Während die ganze Fussballwelt, zumindest Europa geschockt und empört die Super League verteufelte, wurde das Monster Champions League im toten Winkel des Skandals gemästet und weiter mit dem notwendigen Mastfutter versorgt. Es gibt einfach einhundert (!) Spiele mehr. Ach ja, vier zusätzliche Clubs dürfen sich an diesem Blödsinn beteiligen. Und urplötzlich steht die UEAFA wieder im Scheinwerferlicht der Anfechtungen, denn im Prinzip geht es auch hier nur um die wundersame Vermehrung des anscheinend wichtigsten Guts dieser Erde, dem Geld.
Da die Sache so schön im Fluss ist, gehen die Wortmeldungen und Einwände weiter. Und das völlig zu Recht. Was ist hier anders? Natürlich ist das Spektakel CL weitläufiger, es dürfen viel mehr Vereine aus viel mehr Länder teilnehmen. Das ist wahr und auch gut so. Aber ist der sportliche Aspekt vertreten? Bedeuten mehr Spiele mehr Unterhaltung bei gleich hoher Qualität? Mitnichten.
Wenn man sich die Entwicklung der europäischen Wettbewerbe anschaut ist aber diese Aufblähung keine Überraschung. Mit der Einführung des Messecups in den Sechzigern begann es, es folgte der als Vaterfigur der Landespokal der Landesmeister mit der kleinen Schwester, dem Landeskopal der Pokalsieger. Für die aufmüpfigen Kleinkinder wurde der UEFA-Cup ersonnen. Fast jeder Verein träumte von "Europa", ... "und in Kopenhagen klingelt's Telefon". Mit der massenhaften Verbreitung der TV-Geräte wurde eine Spirale ins Rollen gebracht, welche sich bis heute immer höher und weiter dreht. Man verenglischte die Wettbewerbsnamen, strich die Pokalsieger raus und presste sie in die umbenannte Europa League. Waren zuerst die echten Meister berechtigt, kamen bald die Vize zum Zuge und dann, und dann, und dann. Natürlich nur die angeblich besten, und somit finanzkräftigsten Verbände sollten das Niveau erhöhen. Warum nicht einfach der Meister und von mir aus der Vizemeister jeder Liga? Mit der Digitalisierung der Welt wurde ein neuer Schritt eingeleitet, der weltweite TV-Fan ist viel wichtiger als die Fanbase zuhause. Diese hüpfenden und singenden Idioten im Stadion dienen nur als stimmungsvoller Hintergrund, deren Banner stören insgeheim die Werbung im Ground. Warum die olle "Alte Männer Tour" durch den Kontinent, wenn alles in der Glotze zu streamen ist?
Diese Seele des Fussballs haben die Entscheidungsträger aber auch nie berücksichtigt und je intensiv erlebt. Man verspricht zwar immer den Dialog, aber die Einwände werden nie Ernst genommen. Da können Supporters, Spieler und Trainer / Manager noch so jammern. Am Ende geht es um das, um was es im Profisport eben schon immer geht, um das liebe Geld. Und das ist ja nun wirklich keine große Überraschung mehr.
 
Keep the faith.
RaMü
 
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