Die "Hand Gottes" gesehen ...

Hallo Bloggs.
 
Ich habe mir lange überlegt, ob ich diese Überschrift überhaupt wählen soll. Als bekennender Christ habe ich da so meine Schwierigkeiten, das Wort Gott in solch einen Zusammenhang zu bringen. Schließlich gibt es da das erste Gebot: "Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben". Das gilt für alle irdischen Dinge, also auch für den Fussball.
Und auch da gibt es zwei Seiten. Die Fussballfans. Ich erinnere mich noch zum Beispiel an die Zeiten, als die Anhänger von Borussia Mönchengladbach beim Vorlesen der Mannschaftsaufstellung bei Igor Demo immer "Fussballgott" lauthals ergänzten. Ob das dem Menschen aus Fleisch und Blut Igor Demo so recht war? Die Spieler. Viele, beileibe nicht alle, verlieren ja die Bodenhaftung und bilden sich vermutlich sogar ein, eine Art Kultstatus erlangt zu haben, das dem Gottsein schon recht nahe kommt. Kann man zum Teil verstehen. In der heutigen medialen Welt sucht der Mensch die Abwechslung und findet sie natürlich auch. Da kommt das Ablenken durch solche Helden in kurzen Hosen gerade recht, sind diese doch zumindest greifbar. Man kann diese Leute im Stadion, vergesst im Moment Corona, bewundern und "angöttern". Schon wieder so ein Unwort.
Auf jeden Fall hat ein Diego Maradonna nach einem Spiel während der WM 1986 von sich behauptet, die "Hand Gottes" sei bei diesem offensichtlichen Handspiel im Spiel gewesen. Dass es gegen England war gehört zur Ironie der Geschichte. Schließlich befanden sich Großbritannien und Argentinien vier Jahre zuvor in einem offenen Konflikt um die Falklandinseln, welcher insgesamt über 900 tote Soldaten beider Seiten forderte. Das vereinigte Königreich gewann und das war wohl die späte Rache eines Argentiniers.
Die Karriere des Diego ist allen bekannt, sein Niedergang danach auch. "Die Hand Gottes" begab sich auf die Vorstufe zur ewigen Finsternis / Hölle und konnte sich nie mehr richtig befreien. Alkohol und Drogen vernichteten zwar den Körper und dezimierten die Gehirnzellen, aber der Mythos lebte weiter. Für die Menschen, für den Fussball. Dass Maradonna zum Schluß im Prinzip ein verzweifelter, nach echter Befreiung seiner Sucht suchender Mensch war, hat niemand ernsthaft gejuckt. Wer die letzten bizarren Auftritte gesehen hat, dürfte trotzdem erschrocken sein.
Also ich habe Diego Maradonna in meinem Leben zwei Mal sehen dürfen. O.k., immer weit weg, aber wer kann das schon von sich behaupten? Das erste Mal war beim Rückspiel um den damaligen UEFA-Cup im Mai 1989. Da gastierte der große SSC Neapel in Stuttgart und Diego war dabei. Es wurden Höchstsummen für Schwarzmarkttickets bezahlt. Auch ich bin morgens um drei Uhr beim Kartenvorverkauf in den Schlangen vor den Kassenhäuschen am Stadion angestanden, oder vielmehr gesessen. Es war Fiesta angesagt, mit Bier und Bratwürsten. Schließlich musste man die fünf, sechs Stunden bis zur Öffnung überbrücken. Dort, wo heute die Scanner stehen, waren unter diesen Dächern die klassischen Kassen untergebracht. So mit Verglasung, einem richtigen Menschen darinnen, nur Bargeld, vorgedruckte Karten und so. Jeder konnte vier Stück kaufen. Mir gelang der Coup. Ich glaube, ich habe ein Ticket zum normalen Preis einem Kumpel gegeben und die anderen zwei Eintrittskarten direkt am Stadion an wildfremde Menschen weitervercheckt. Mit diesem Betrag war das meiste Geld für einen neuen Fernseher abgedeckt. Auf jeden Fall habe ich da Maradonna spielen sehen. Das Match endete 3:3, in Neapel hatte man nach einem erneuten Handspiel in der Entstehung eines Strafstoßes mit 2:1 verloren. Neapel wurde Sieger und feierte in Stuttgart seinen Triumpf.
 
 
Nicht mehr gespielt hat er dann im November 2010. Da empfing Fulham am Craven Cottage  ManCITY und ich hatte keinen Schimmer, das außer mir (grins) noch mehr prominenter Besuch da war. Nämlich Diego, der Handspieler. In der Halbzeitpause rumorte es plötzlich und tatsächlich, die personifizierte "Hand Gottes" schwadronierte mitsamt seiner Freundin quer über das Spielfeld. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Viele pfiffen und machten sich lustig, andere widerum klatschten höflich Beifall. Es gelang mir in der Schnelle nur ein einziges, vernünftiges Foto. Hier also, Diego in Fulham.
 
 
 
Heute nun ist Diego nicht mehr auf unserer Welt. Es wurde abberufen. Hoffentlich ist sich der irdische Fussballspieler irgendwann bewußt geworden, dass seine und somit auch unser aller Zeit mal abläuft und hat mit dem Schöpfer seinen Frieden gefunden. Das können und müssen alle Menschen dieser Welt, ob Fussballfan oder nicht. Früher oder später. Am besten jetzt.
 
Keep the faith.
RaMü
 
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