Mein vermiester Restart

  vs.    
 
Hallo Bloggs.
 
Bei der Anfahrt zur Bizerba-Arena wurde es mir endgültig bewußt, in welcher Fussballregion der VfR Aalen sich nun bewegt. Das letzte Auswärtsspiel war in der Hopp-Arena in Hoffenheim. Dieses alte Stadion am Wald hat richtige profimäßige Infrastruktur, im Drittligaabstiegsjahr war ich beim KFC Uerdingen, welcher damals bekanntlich im Stadion des MSV Duisburg auflief. Vorbei die Zeiten, als man sich noch mit Fortuna Düsseldorf, dem FC St. Pauli und Co messen durfte, und sich sich sogar behaupten konnte. Auch im Stadionheftle stand es folgerichtig; der VfR Aalen ist nicht mehr der VfR Aalen des vergangenen Jahrzehnts und das war noch diplomatisch ausgedrückt. Hatte der Coronaabbruch schon das Horrorszenario eines erneuten, möglichen Abstiegs verhindert, könnte es dieses Mal soweit sein. Denn was die Ostälbler im Zollernalbkreis ablieferte, war schlichtweg erschreckend.
Dabei war man optimistisch. Zwei hohe Abschlußsiege in der Vorbereitung gegen Bayernligisten und der Auftaktsieg gegen Steinbach ließ hoffen, aber diese Vorstellung ließ die wenigen, getarnten VfR-Anhänger wütend zurück.
 
 
Fussball oder Leichtathletik, in der Bizerba-Arena ist alles möglich.
 
Das Zuschauerinteresse in der Regionalliga Südwest darf man wohl als bescheiden bezeichnen. Es gibt Platzhirsche wie Offenbach, Ulm, Homburg oder Aalen. die noch für annehmbare Zahlen sorgen, der Rest hat selbst in Coronazeiten Probleme, den Ground mit bis zu 500 Zuschauern zu füllen. So auch in Balingen. Immerhin ist es ein Duell zweier Vereine auf der Alb und die Aalener waren längere Zeit so etwas wie eine Führungsmacht der Region. Aber wie gesagt, schon einige Jährchen her.
Das Stadion ist auf jeden Fall schön sauber und wie geleckt. Alles penibel aufgeräumt und mit wenigen Mitteln auf coronatauglich getrimmt. Die Tageskassen waren sogar geöffnet, man musste seine Kontaktadresse angeben und die üblichen Abstände einhalten. Es gibt eine Tribüne mit Sitzplätzen und eine Stehplatzgegengerade, für Balingen reicht es.
 
 
Wie das halt so ist. In der Kurve hat man schon eine gewisse "Distanz" zum Spiel. Ist manchmal auch gut so.
 
Immerhin gab es die übliche Stadionverpflegung, die Rote und das echt gute und echt gut gekühlte Bier brachte den Fan wieder in Matchlaune und das fast zu gute Wetter tat ein Übriges.
Auf das übliche Einlaufen wurde verzichtet, Corona. Die Gäste begannen zunächst besser, das Team directing, auf gut Deutsch Geschrei oder zumindest verbales Unterstützen klappte besser. Zunächst und nur für wenige Minuten. Schon der erste Angriff der Balinger offenbarte Lücken und die Vermutung, das wird ein aufregender Nachmittag für die Abwehr der Aalener. Allerdings bot sich in der Gefahrenzone des Spielfeldes, sprich Strafraum wenig und so wäre man mit einem 0:0 in die Kabinen gegangen. Aber haarsträubende Stellungs- und Abwehrfehler in der 40. Minute begünstigten das 1:0, das im Abschluß wirklich klasse war. Drehung um den Gegenspieler und ein langer Schlenzer ins Eck, der einzige namhafte Akteur im Dress der Aalen war machtlos.
 
 
Man muss auf der Gegenseite schon ganz oben stehen, damit man das Spielfeld ohne Zaun sehen kann.
 
Das Match wurde dann schließlich schnell entschieden. Ein Doppelschlag in der 50. und 56. Minute brachte die Entscheidung und der ehemals stolze Zweitligist hatte Glück, nicht förmlich zerlegt zu werden. Dem 4:0 hätten locker noch zwei, drei Treffer folgen können. Wenigstens gelang mit dem Abpfiff noch das 4:1, ein schwacher Trost. Balingens Stadionsprecher sprach bei jedem Einschlag von einem "schier unglaublichen" Resultat. Kein Wunder: vier Tore gelangen der TSG Balingen noch nie in ihrer Regionalligageschichte. Man schüttelte den Kopf und wunderte sich über das konzeptlose Auftreten der Angereisten.
Es wird schwer werden, für Aalen und Balingen. Aber Aalen kämpft immer noch mit den Geistern der Vergangenheit und scheint langsam aber sicher ins Hintertreffen zu geraten. Seit Jahren im Abwärtstrend, seit Jahren immer wieder Abgänge im Dutzend und immer wieder niederklassiger Ersatz, da wird der Überlebenskampf zur Dauereinrichtung. Dazu noch die Belastung durch Corona. Selbstverständlich hat jeder Club in Europa oder gar auf der Welt diesselben Probleme, mehr oder weniger. Aber gerade Vereine wie Offenbach oder Aalen, denen noch ein klein wenig ein Hauch glorreicher Vergangenheit anhängt, haben mit der tristlosen Gegenwart zu kämpfen und eben zu aktzeptieren. Wenn nicht, wird die Fussballkarte in einem Jahr zum Teil anders aussehen. Hoffen wir es nicht.
 
 
Die zweite, erschreckende Halbzeit erlebte ich im Balinger "Underground" unter der Tribüne. Auf jeden Fall war es schattiger.
 
Mein nächstes Match erlebe ich dann ganz oben im Norden, hinter den Deichen, bei den Kickers in Emden. Oberliga Ems-Weser, was für ein Name. Egal, ich freu mich drauf.
 
Keep the faith.
RaMü