Opfer des eigenen Erfolges !

Hallo Bluebloggs,

wer seinen Umsatz steigern will, macht Werbung. Schon im Mittelalter überboten sich die Marktschreier und mit Einzug der Zeitungen ins öffentliche Leben wurden Anzeigen "geschaltet". Wenn man dann Erfolg hat, hat sich der Aufwand gelohnt und hofft auf eine anhaltende Wirkung. Beim Fußball läuft es ähnlich, aber nicht unbedingt gleich. Normalerweise braucht eine erfolgreiche Mannschaft keine Werbung, Erfolg macht "sexy", da fliegen einem die "Herzen" von alleine zu. In der heutigen Welt ist aber eine Marketinggesellschaft unabdingbar, die Gesellschaft und ihre Erwartungen treiben einen förmlich dazu. So halten es auch die Fußballvereine dieser Welt und man sieht am Webauftritt, welchen Stellenwert der jeweilige Club und die dazugehörige Liga haben. Und da ist die Premier League nicht gerade so übel. Man hat in der weltweiten Wahrnehmung auch noch einem entscheidenden Vorteil, man spricht und schreibt in der inoffiziellen Weltsprache. Da kommt die Bundesliga nie und nimmer mit, ob man will oder nicht. Einzig der bundesweit unbeachtete FC Bayern ( war ein Scherz ) stemmt sich gegen die Flut und hat natürlich auch die entsprechenden sportlichen Erfolge vorzuweißen. Also ist die BPL ( British Premier League ) in der Aufmerksamkeit ganz vorne, und das hat seinen Preis. Im positiven Sinne gilt zunächst, dass der Verkauf von Fanartikeln unglaublich hoch ist und die Spitzenclubs in der sogenannten Saisonvorbereitung eigentlich wie ein Wanderzirkus um den Globus reisen. Konditionsbolzen stört da nur. Man errichtet weltweit "Flagstores" und gründet Fanclubs. Wobei Fanclubs schon abgedroschen klingt, da gibt es viel zeitgemäßere Bezeichnungen. Wer über das notwendige Geld verfügt, möchte seine Lieblinge dann auch mal live sehen, am liebsten bei einem Heimspiel in der Prem. So fliegen sie dann ein, von Illingen bis Hongkong heißen die "Abflughäfen", mit dem Ziel, irgendwo im Mutterland des Fußballs seine "Halbgötter" dann live zu sehen. Und da beginnt einer der Gründe, für den Niedergang der Stimmung in den englischen Stadien.

Ich behaupte für mich, einen Vergleich ziehen zu können. Ich habe das dementsprechende Alter, war schon in den "Achtziger" in den Grounds und komme zur Zeit auch noch ab und zu zu den Kicks. Und hier gilt wirklich der alte Spruch "Früher war es besser".

Es gibt genügend Beispiele, meine Beispiele beziehen sich nun ausschließlich auf ManCITY.

Wenn man vom Flughafen mit der Bahn in die Stadt fährt, fällt der Blick auf das Stadion von ManCITY. Beim Heimspiel in der Champions League gegen Moskau saßen in der Sitzreihe neben mir zwei junge Männer im Trikot von ManCITY. Auf dem Ärmel prangte der goldene Löwe, das Zeichen für den aktuellen Meister, und darunter war dann "Hongkong Supps Ass." eingestickt, auf gut Deutsch; der Fanclub aus Hongkong. Beide waren Asiaten wie aus dem Lehrbuch, klein und drahtig. Manchmal hält der Zug hinter der Ardwick Station auf freier Strecke. Manchester Piccadilly ist ein Sackbahnhof und oftmals nicht das vorgsehene Gleis frei. Von hier hat man einen wunderbaren Blick auf das Stadion. Normalerweise schaut man sich als Fan das Panorama an, aber meine Sportfreunde aus Fernost erkannten ihren "Tempel" überhaupt nicht und glotzen verständnislos aus ihrem hellblauen Trikot. Ergo, die Jungs waren zum ersten Mal da. Solche Leute plündern dann ohne Zweifel den Fanshop und steigern die Umsätze, tragen aber zur Stimmung herzlich wenig bei.

Bei den Heimspielen werden dann vor dem Match Leute im Stadion genervt, oder interviewt. Da waren dann gegen Swansea vier Südkoreaner dran, soviel war zu verstehen. Dann wurden die Leute aufgefordert, ein Liedchen anzustimmen; mehr als ein grinsendes "CITIIIIIIIIIIIY, uraaarghhh" kam nicht heraus. Während des Kicks hörte ich hinter mir einen Schweizer Dialekt, in der Halbzeitpause klärte ich die Lage auf. Es waren zwei Berner, welche einfach ein verlängertes Wochenende in Manchester verbrachten. Zum Fußball gingen sie, weil sich die Gelegenheit ergab und weil es eben zu England gehört. Richtige Fußballfans seien sie nicht; einer geht ab und zu zu YB, also Young Boys Bern. Und so geht es rund herum, überall sitzen Leute und wollen die Stimmung erleben, tragen aber selbst zum Niedergang bei.

Aber auch die Engländer selbst haben sich geändert. Während in Deutschland der organisierte Gesang Vorrang hat, wartet man hier fast ab. Der ultrahochmoderne Kadavergehorsam gegenüber dem Club und seinen Spielern hat sich gewandelt zu einem eher kritischen Standpunkt. Unterstützung gibt es nur noch bei Leistung. Die übermäßig hohen Ticketpreise haben auch einen Teil der sangesfreudigen "working class" vertrieben, dagegen ist Deutschland ein wahres Paradies geblieben. 

Diese Entwicklung gilt allerdings ausschließlich für die englischen Spitzenclubs. Die Vereine abseits der Erfolgsspur entwickeln ihr eigenes Leben, da bezieht man sein Fanpotential noch ausschließlich aus dem Land. Da geht es noch ursprünglicher zu, zumeist zumindest. Hull City oder Stoke City sind da gute Beispiele.

Aber auch Deutschland unterstützt indirekt den Werbefeldzug der Premier League, darunter auch das Fachblatt "Der Kicker", siehe Bild. Immer während der deutschen Winterpause entdecken die Deutschen dann wieder ihr Interesse am englischen Fußball. Dann ist die Insel eine willkommene Abwechslung in der Pause, dann jettet man wieder rüber, genießt sein Pint im Pub und lästetert anschließend biertrunken über England und seine "beschissene Stimmung". Überhaupt ist in Deutschland ist eh alles besser, hört man dann. Tja, manches stimmt und manches eben nicht. So hat halt jeder seine eigene Sichtweise, je nach Tageslicht, Uhrzeit und "Wasserstandsmeldung".

RaMü

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RaMü