Ein mißmutiger Aufsteiger
Hallo Bloggs,
es war ein blödes Gefühl. Da ist man in Hannover, steigt im Prinzip auf und alles herum hat ein Gesicht wie nach einem Termin beim Finanzamt. Natürlich wäre ein Punkt oder gar ein Auswärtssieg geiler gewesen, natürlich wäre alles übergeschäumt, natürlich wäre dann der Partykorken geknallt. So aber wurde der Aufstieg quasi in Ostwestfalen entschieden, denn niemand glaubt in diesem Fall ernsthaft an das Fussballwunder oder einen Fussballalbtraum, je nach Sichtweise. Die Stimmung nach dem Schlusspfiff am Maschsee war eine seltsame Mischung, zwischen Befreiung; wir sind im Prinzip durch, bis Niedergeschlagenheit; wir wollten doch durchmarschieren. Leute, jetzt wird die Feier halt am kommenden Sonntag am Neckar nachgereicht. Zuhause ist auch viel schöner, man kennt sich im Kühlschrank aus und die lieben Nachbarn kennen dieses Gedröhn bis tief in die Nacht. Auf dem Weg zurück zum Bahnhof kamen einem überglückliche Niedersachsen entgegen, die 96er waren viel besser drauf. Man hat zwar eine fast deutlich schlechterer Torverhältnis, muss noch auswärts nach Sandhausen und darf zudem noch auf drei Stammspieler verzichten, alles war denen egal. Der schwäbische Anhang machte das, was in unserem Breitengrad am besten geht, bruddeln. So wird das nichts im nächsten Jahr. Wie konnten die uns nur den Tag versauen! Hat der Trainer seine Truppe überhaupt richtig motiviert? Fragen über Fragen, BRUDEL, BRUDDEL.
Ich war der Älteste im Umkreis von geschätzten 25 Quadratmeter. Irgendwann erzählte ich, das ist mein zweiter Aufstieg. Ungläubliges, scheues Lachen. Dann fragende Blicke, Mann ist der schon alt ! Da musste ich alter Sack den Spaßonkel spielen und den niedergeschlagenen Teenegern erklären, wir sind aufgestiegen. Ähnlich war es auch nach dem Schlußpfiff. Die Spieler der Heimmannschaft tollten über den Rasen wie junge Hunde, die Brustringträger klatschten sich ab und wussten nicht so recht, wie geht es weiter im Programm? Da schauten die ungefähr 25 Leute im Dress auf die 8.000 auf den Rängen, die 8.000 auf den Rängen schauten auf die 25 auf dem Rasen. Dann hakte "Gente" und der "Sniper" unter und dann kapierte auch das CC, aahh, "1893, ey, ey". Das war oberpeinlich. Eine Niederlage stand wohl nicht im Drehbuch der Ultras.
In diesem Fall lösten die Spieler die Blockade und gingen dann noch zum Abklatschen über die Bande. Das war so etwas wie eine Feierstimmung zu spüren.
Zum Spielverlauf will ich mich nicht äußern, dafür zur Stimmung. Es herrschte ein Feeling wie bei einem Pokalendspiel, diverse Kumpels bestätigten dies auch nach ihrem TV-Event. Normalerweise sind ja die Norddeutschen obercool, aber diese Stimmung war schon erstklassig. Die 8.000 in Weiß hatten doch Mühe, das Gleichgewicht zu wahren. Von der Einlaufoptik war ich enttäuscht, das war schwach, zumindest für die Gastgeber. Fahnen im Mittelblock und eine mäßig großer Banner, irgendwas mit SEK und Ende der Welt. Das war dann doch schwach, angesichts der Brisanz der Begegnung. Da war Cannstatt viel besser, mit einfacheren Mitteln erreichte man viel. Karneval im Gästeblock. Was mir immer wieder auffällt, dem VfB fehlt eine richtige Hymne. Eine mit groovigen Bassläufen, mit dröhnendem Chor und einprägsamen Text. Nicht dieser Partygehüpsemischmasch wie im Moment in Stuttgart. Eine Heavyballade soll es sein. Eine zum Mitschluchzen und Schal hochheben. Wie in Mainz, Köln oder Hannover. Das fehlt noch zum Glück.
Rückblick: 22 Stunden auf Achse, eine Niederlage mit Aufstieg, zwei Kneipen, fünf Kilometer gelatscht, eine Zugverspätung von 65 Minuten, keine Minute Schlaf und ein Arbeitsbeginn um 6.00 Uhr. Leute, das Leben kann hart sein.
Drei Stunden vor dem Spiel.
Eine Stunde vor dem Spiel.
Zwanzig Minuten vor dem Spiel.
Drei Minuten vor dem Spiel.
Im Spiel.
Ein paar Minuten nach dem Spiel.
Weitere Minuten nach dem Spiel.
Fünfzehn Minuten nach dem Spiel.
Nach dem Spiel.
Keep the faith, bis Sonntag dann.
RaMü