RaMuesWeltHistory # 1:

 
Das Jahr 1985 war ein weiteres Katastrophenjahr im englischen Fussball. Am 29. Mai stürmten Hooligans des FC Liverpool beim Endspiel um den Europapokal der Landesmeister einen benachbarten Block, dabei kamen 39 Anhänger von Juventus Turin ums Leben. Das baufällige Heysel Stadion in Brüssel wurde anschließend gesperrt, später abgerissen und neu erbaut.
Das Spiel um den Charity Shield am 10. August war das erste Match danach, welches auf der Insel ausgetragen wurde. Traditionell spielen hier der Meister und der Pokalsieger der Vorsaison, Deutschland kopierte dieses Ereignis erst Jahre später. Es ist der Saisonauftakt und findet daher immer im Wembleystadion statt.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, wie ich an die zwei Tickets gekommen bin. Tatsache ist, damals gab es noch nicht diese weltweiten Fussballtouristen, welche mal geschwind mit dem Jet zu Spielen einfliegen, den Fanshop plündern und vollbepackt heimjetten. Vermutlich normal mit der Post (!) bestellt, mit der Post (!) bekommen und per Postüberweisung (!) bezahlt. Damals üblich, heute belächelt.
Es war nicht mein erster Besuch, 1980 war ich für ein Länderspiel schon mal da. Diesmal also auf Vereinsebene. Es war Sommer und ich war mit meiner Freundin für ein paar Tage in London. Da passte der Besuch. Diesmal war das Match am Nachmittag und daher gutes Fotowetter. Daher ist dieser Besuch auch recht gut dokumentiert und die Bilder trotz der jetzigen Digitalisierung von recht brauchbarer Qualität.
Und das alte Wembley hat es auch verdient. Diese Post ist zugleich eine Art Zeuge für britische Stadionkultur und der einstigen Kolonialmacht England. Gebäude drücken immer was aus. Während die heutigen Glaspaläste Transparenz und Offenheit zeigen sollen, verkörpern diese wuchtigen Gebäude die jeweilige Epoche und das Selbstverständnis des Landes, der Regierung und der Bevölkerung. Erbaut wurde das Wembley 1922/23 und 1963 gab es die einzige nenneswerte Renovierung. Im Laufe der Jahrzehnte rostete und moderte der Koloss vor sich hin, da half auch der Neuanstrich der beiden Türme nicht mehr. Diese beiden Tower waren das Symbol des Stadions schlechthin, der Anblick war wunderschön und wurde wohl zum meistfotografierten Motiv des Grounds. Das Wembley war rießig und atemberaubend. Es war leider aber auch eine Multifunktionsarena, so würde man es heute bezeichnen. Man hatte das ganze Jahr über Veranstaltungen, von Konzerten bis zu Greyhoundrennen reichte die Palette. Zumal es ursprünglich "nur" für eine Ausstellung gebaut wurde. Anfangs passten über 100.000 Menschen rein, zum Schluß nur noch 82.000. Der dringend notwendige Abriss erfolgte dann schließlich 2003, das letzte Tor auf dem "heiligen Rasen" erzielte ausgerechnet der Deutsche Hamann, beim 0:1 Sieg der deutschen Nationalmannschaft. Ironie pur!
 
 
Eine alte Straßenkarte von 1988 zeigt noch das alte Symbol des Wembley Stadium.
 
 
Schon der Anmarsch zum Stadion wurde wie ein "Pilgergang" zelebriert.
 
 
Der Anblick schlechthin. Die Türme waren die Wahrzeichen der Fussballnation.
 
 
Damals für deutsche Fussballfans ungewohnt, aufregend und neu. Der durchgehende, überdachte Ring um das Stadion.
 
 
Die Größe erschlug den Erstbesucher. In den Achtzigern waren für viele deutsche Fussballfans komplett überdachte Stadien ein Luxus.
 
 
Auftaktzermonie.
 
 
Wir waren auf der mehrheitlich "blauen Seite" des Stadions, Everton. War mir gleich recht. 
 
 
Es waren mit die günstigsten Plätze, also ganz oben. Deutlich ist die Sandbahn zu erkennen.
 
 
Nach dem Spiel ging es für beide Mannschaften rund ums Feld.
 
 
Stadionheft
 
 
Ticket
 
Hier nun bei paar "technische Daten" rund um das Spiel:
 
  • Everton - Manchester United  2:0
  • Torschützen: Steven und Heath
  • Zuschauer: 82.000 / ausverkauft
  • Es war ein "all english spoken match". Das heißt: alle Spieler sprachen Englisch als Muttersprache.
  • Von den insgesamt 25 eingesetzten Spieler waren 14 aus England, 4 aus Wales, jeweils 3 aus Schottland und Irland, ein Spieler aus Nordirland.
  • Der Preis betrug damals 10.-- £, umgerechnet 32.-- DM. Das sind auf heute bereinigt ebenfalls 32.-- €.                              Zum Vergleich: Ein Sitzplatz auf einer Hauptribüne in Deutschland kostete damals zwischen zwanzig und dreißig Mark.
  • Innerhalb Englands war dieser Preis hoch. Für Sitzplätze musste man damals ungefähr nur drei bis fünf £ bezahlen.

Das Jahr 1985 hatte für Englands Fussball noch weitreichende Folgen, welche bois heute zu sehen und vor allen Dingen zu hören sind. Sämtliche englische Vereine wurden für fünf Jahre von den internationalen Wettbewerben ausgeschlossen, Liverpool gar für sechs Jahre. Die Verbannung der Stehplätze aus den Grounds führte zum Niedergang der bis dahin weltbekannten und bewunderten Supporterskultur. Die erhöhten Eintrittspreise für die Sitzplätze waren für viele Fans im wirtschaftlich gebeutelten England nicht mehr zu bezahlen, man blieb einfach fern. Manche nahmen sogar einen Kredit für die Finanzierung der Dauerkarte auf. Nach und nach wurde der Support leiser, andere Fankulturen wie der organisierte Gesang oder die Ultras drängten den typischen Britsupport aus dem Stadion und sind bis heute im Stadion dominant. Die englische Hooliganszene und ihre Exzesse haben im Prinzip den eigenen Untergang beschworen und eingeleitet.

Keep the faith

RaMü

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