RED BULL Arena, 24.9.

Hallo Bluebloggs,

früher, ja früher war angeblich alles viel besser. Da war noch Zucht und Ordnung auf dieser Welt, da freute man sich noch auf gewisse Höhepunkte im Leben. Ein Sporthöhepunkt im Leben eines DDR-Bürgers dürfte vermutlich ein Besuch im Zentralstadion in Leipzig gewesen sein, zusammen mit anderen rund 100.000 Zuschauern. Tja, da staunste, was? Es war damals eines der größten Stadien der Welt, beim ersten Fussballspiel im Jahre 1956 sahen eben diese Menschenmasse ein DDR-Oberligaspiel zwischen dem SC Rotation und SC Lokomotive Leipzig ( 1:2 ). Viele Länderspiele fanden auch statt, rund 92.000 verfolgten z.B. die Niederlage der DDR gegen die Niederlande, ein gutes Wortspiel, ( 2:3 ) im Jahre 1979. Dann verflachte das Interesse an der Nationalmannschaft und auf Vereinsebene profitierte nur noch Lok Leipzig von der gigantischen Größe der Arena. So begrüßte man im damaligen UEFA-Cup den SSC Neapel vor 82.000 Fans, das war noch vor der friedlichen Revolution, es war 1988. In dieser Zeit entwickelte sich Leipzig zur sogenannten "Heldenstadt", von hier wurde die Wende und somit das Ende der DDR maßgeblich beeinflußt.

Für den Riesenkasten war die Entwicklung denkbar schlecht. In der folgenden Zeit verfiel das Ding immer mehr, die Holzbänke verfaulten und es wurden ganze Blöcke gesperrt. Eigentlich waren fast alle Plätze unter freiem Himmel, nur wenige Auserwählte fanden unter einem Dach ihren Sitzplatz wieder.

Wie das so ist, für solche Menschenmassen braucht man Platz, viel Platz sogar. Das sieht man heute noch, zudem stehen noch einige der "Funktionsgebäude" aus der alten Zeit, für Geschichtsfreaks wie mich immer wieder eindrucksvoll.

Der Bogen ist Teil der neuen Bedachung. Das Gebäude vorne  stammt noch aus DDR-Zeiten und beherbergt heute Teile der Geschäftstelle, Firmen und Ämter.

Es war der gemütlichste Tag der Reise, die Anfahrt betrug nur läppische zwanzig Kilometer und wir parkten fast direkt neben der Arena. Ein kleiner Rundgang bestätigte zumindest die frühere Größe und zeigte zugleich den Mangel der heutigen Zeit. Die heutige Arena "verschwindet" praktisch in diesem Erdwall, welcher das frühere Stadion ausmachte. Von außen sieht man fast nichts, lediglich ein paar Spitzen der Bedachung ragen heraus. Die Umgebung ist großzügig, zwei Diktaturen wußten die Plätze für ihre Zwecke zu nutzen.

Wir verbrachten den Tag in der Innenstadt, Leipzig ist wirklich sehr schön, hätte ich nicht gedacht. Ein Schwerpunkt war der Besuch des Stasimuseums "Runde Ecke" ( was sonst ? ), darüber würde sich allein eine zusätzliche Homepage lohnen. Irgendwann ging es dann per Straßenbahn zurück, in den "Schlund des Bösen", so zumindest die Meinung unzähliger Fussballfans in Deutschland. Der Name RED BULL scheint alle zu elektrisieren und zu einem Kotzreiz zu führen. Auromatisch zieht sich der Magen zusammen und Schweißausbrüche sind die Folgen. Ich habe versucht, die Sache nüchtern und neutral zu beurteilen, zumindest beim reinen Stadionbesuch.

Die Arena wird nun regelmäßig genutzt und erfüllt somit seinen eigentlichen Zweck. Die Steuergelder, schließlich wurde das Stadion zur HeimWM 2006 neu gebaut, verrotten nicht wie im Zentralstadion. Das ist immerhin ein kleiner Pluspunkt.

Das Drumherum ist einfach miserabel. Lediglich ein Kilometer vor dem Stadion, bei der Haltestelle neben der neuen Halle, gibt es einige wenige Stände zur Verköstigung. Weiteres gibt es ausschließlich im Stadion, in der unmittelbaren Umgebung gibt es keine Kneipen. Ein grandioser Minuspunkt, ganz schlecht.

Rund 75 Minuten vor Spielbeginn, die Fussballszene scheint woanders.

Wenn man dann da ist, ist eigentlich alles wie sonst, die üblichen Eingangskontrollen und so. Nun muß man allerdings den gesamten hohen Erdwall per Treppe erklimmen und dann, dann steht man schnaufend oder total am Ende oben und blickt in das eigentliche Stadion, die RED BULL Arena, die Heimstatt der "Totengräber des Fussballs", wie unglaublich viele Zeitgenossen glauben. Wir hatten Zeit und knipsten, was das Zeug hielt. Im Prinzip ist es ganz einfach. Der alte Ring wurde bepflanzt und die neue Arena praktisch "reingesetzt". Parkmöglichkeiten unterhalb ermöglichen eine bequeme Zufahrt, zumindest für einige Besucher oder Anlieferer. Von außen scheint mir das Stadion aber zu offen, vielleicht bin ich da etwas zu sehr auf England fixiert, hier versucht man alles komplett zu verkleiden, wegen der Akkustik. Trotzdem, das Stadion ist nun so und daran wird auch der Mieter ( Red Bull Leipzig ) nichts daran ändern.

Deutlich sieht man noch den alten Ring. Hier waren im Zentralstadion die Sitzplätze, Holzbretter auf Betonfüßen installiert.

Dann geht es wieder runter und somit endgültig rein. Der erste Blick ist schon sehr, sehr gut. Aber ich habe, auch während des Spieles, irgendwie das Gefühl nicht los bekommen, ich bin in einer Eishockeyarena vor dem Anpfiff. Die Beleuchtung ist zwar wichtig, aber zumindest beim Spiel könnte man ausschließlich das Spielfeld voll beleuchten, der Rest etwas dezenter bestrahlen. Die Kioske sind im Bundesdurchschnitt, die WC`s allerdings seltsam verteilt. Die Hinweisschilder sind allgemein, aber die Toiletten nach Geschlecht getrennt und zwar auf verschiedenen Ebenen. So läuft Männlein die Treppe hoch und stellt fest, Upps, ich muss ja runter, ebenso umgekehrt. Zwar eine Kleinigkeit, aber je nach Dringlichkeitsstufe doch wichtig. Minuspunkt, setzen, auf die Kloschüssel - SECHS !

Wir haben dann Bilder gemacht und wurden sogleich angemacht. Wir hatten es gewagt, eine rote Linie zu überschreiten, im wahrsten Sinne des Wortes. Diese rote Linie markierte den Bereich der Rollstuhlfahrer, was ja ganz sinnvoll ist. Aber es waren noch keine da, also stellten wir uns kurz an die Barriere und knipsten unsere Bilder. Das Glück währte nur kurz, mit barschem Ton wurden wir des Feldes verwiesen, das hätte man auch netter sagen können. EastGermany live.

Wie bereits erwähnt, irgendwie wirkt alles kalt. Was sonst noch auffiel, es gab kaum Werbung, zumindest nicht großartig auf der Anzeigetafel. Die Bandenwerbung läuft und zwar mit lauter Brancenriesen, lokalen Größen sind nicht zu finden.

Nun zum Ganzen. Der Support bei Red Bull ist im Prinzip wie überall, ohne die Boygroup mit Flüstertüten und Trommler geht gar nichts mehr und so ist das auch hier. Die Menge entspricht zu Zweidrittel der Cannstatter Kurve, ungefähr halt. Immerhin man bot was Neues, man hüpfte zu einem speziellen Lied blockweise. Zuerst begann der äußerste linke Block, dann der nächste usw. Gesungen wurden zugleich in allen Blöcken und beim finalen Ende hüpfte die gesamte Kurve. Das war gut und toll. Muss man anerkennen. Dicker Pluspunkt. Überhaupt war die Stimmung ganz o.k., schließlich war auch das Spiel obere Klasse. Gegner Freiburg und Leipzig bevorzugen ja technisch feinen Fussball, der sich sehen lassen kann. Das Resultat war gerecht, 1:1 im Spitzenspiel. Südbaden war ebenfalls gut vertreten, rund 900 waren da, relativ viel für ein Wochentagmatch. Leider waren die kaum zu hören, zumnindest bei uns. Wir saßen auf dem Unterrang, die Gästefans auf dem Oberrrang ganz außen. Die Karte dafür kostete nur 10.- €, alles Sitzplätze wohlgemerkt. Pluspunkt, zumindest für die Gästefans. Wir dagegen mussten 25.-- € blechen, hatten aber auch eine sehr gute Sicht, wie eigentlich überall.

Rund 25.000 waren da, insgesamt passen 43.000 rein. Für ein Spitzenspiel zu wenig, schließlich will man aufsteigen.

Der Heimsupport hielt lange durch, erst gegen Ende ging die Puste aus. Trotzdem war es nicht übel, da habe ich schon laschere Auftritte in der Buli erlebt. Wir saßen ganz am Anfang einer Reihe, also unmittelbar an der Treppe, in Reihe 27. Ich bin im Neckarstadion meistens in einem schnuckligen Block, Block 49, bin also diese Dimensionen so nicht "gewohnt". Aber das war ein Gerenne während dem Spiel, die Treppe rauf und runter. Auch in unserer Reihe herrschte mächtig Betrieb, laufend musste man aufstehen, rein und raus, hin und her, manchmal geriet der Kick zur Nebensache. Ab und zu ging es einem deutlich auf den Zeiger, da wurden die Sitzreihen verwechselt, gar die ganzen Blöcke nicht gefunden und so weiter. Gibt es natürlich überall, aber hier war es doch auffallend oft. Junge, Junge, Minuspunkt. Nach Aussage von Freiburgfans am nächsten Morgen im Hotel, sind ständig Lokfans im Gästeblock und unterstützen die jeweiligen Gäste. Man wollte wohl eine Fahne plazieren, dies wurde aber verweigert. Schließlich hieß der Gast Freiburg und nicht Lok. Angeblich kommen die Anhänger des "Brauseclubs" hauptsächlich aus dem Umland, die Stadt selbst geht zu den örtlichen "Chemie" oder "Lokomotive", angeblich.

So also zum Fazit. Zunächst, ganz ernst darf man meine Verteilung der Punkte nicht nehmen, ist halt meine Meinung.

Man kann und darf natürlich gegen RED BULL Leipzig sein, zumindest der kometenhafte "Aufstieg" und der Zirkus dahinter ist fragwürdig. Beim Spiel selbst und im Stadion ist eigentlich alles wie gehabt, wie fast überall. Die Fanszene wird weiter wachsen und im Laufe der Zeit noch mehr zunehmen und man wird wohl in kurzer Zeit in der Bundesliga spielen. Vereine wie Hoppenheim und Dieselburg sind dann aus dem Visier, dann ist RED BULL das große Thema, größer und mächtiger als im Moment. Da bin ich dann gespannt, wie sich das entwickelt.

RaMü