Neue Fankultur auf der Insel?

Hallo Bluebloggs,

eigentlich beobachte ich es seit geraumer Zeit mit einem gewissen Unbehagen, auch auf der Insel schreitet der Verfall der bislang bekannten Fankultur voran. Zum ersten Mal ist es mir ausgerechnet in Schottland aufgefallen, und zwar bei Celtic Glasgow. Beim Kick gegen Ross County im Dezember 2014 hüpften und sangen rund 250 Leute ohne Unterbrechung, dabei wurden fortwährend Fahnen geschwungen und eine Trommel gab den Takt vor, angetrieben wurde der ganze Spuk von einer Megatröte. Hinter einem großen Banner versammelten sich sozusagen die Jünger der neuen Fankultur, der Ultras. In Kontinentaleuropa ist das ja seit ungefähr einem Jahrzehnt schon Standard, man hat die "old school" einfach an die Wans gedrückt, als gemütliche Grauhaarige gebrandmarkt und dann das Zepter im Stadion übernommen. Weg mit dem alten Scheiß, jetzt kommen wir, die Echten, die Harten und Allesfahrer.

Auf der Insel zog unterdessen das große Geld ein, die Petrodollars machten aus Fans nun Mitläufer und die steigenden Preise grenzte die "working class" aus. Die Folge ist unüberhörbar, die Stimmung sank und da es keine stimmgewaltigen Ultras gab, wurde es manchmal immer stiller und somit immer schlimmer. Selbst die Stimmungstempel wie Anfield Road oder Old Trafford versagten, es brach einfach ein Teil des Fussballs weg. Nun scheint sich zumindest in den unteren Ligen eine Revoltution anzubahnen, hier hat man noch Platz und darf schon mal was Neues ausprobieren. Als Vorbild scheint ausgerechnet Deutschland zu dienen, mit Italien kann man hier überhaupt nichts anfangen. Spanien ist trotz der Erfolge aus Vereinsebene vielen zu dämlich, denn da fährt keiner auswärts. Also doch die bis vor kurzem ungeliebten Vettern aus Germany. Man pilgert ja eh schon zu Hunderten nach Dortmund, die Billigflieger kosten weniger als manches Ticket für die Premiership, warum kopiert man nicht das Erfolgreiche?

Also in Middlesborough war die neue, schöne Fanwelt schon mal zu bewundern und vor allem zu hören. Und ich muss sagen, es war schlichtweg gehobene Klasse. Da waren sich auf Kommando rund 1000 Fans einig, man sang wie in Deutschland auf Kommando, wie die Ultras eben. Dazu kommen die zögerlichen Versuche, das ganze Geschehen mit Pyros zu unterstützen.

Stammplatz dieser Gruppe ist der South Stand, hinter einem Tor. Irgendwann aber waren dann auch diese Jungs und die wenigen Girls müde, dann schlug die Stunde der Veteranen der North Stand, am Tees River. Zusammen zog man speziell in der Schlussviertelstunde gegen Hull City ein Vocalfeuerwerk ab, das ich so schon lange nicht mehr gehört habe.

Aber auch in der dritten Liga gibt es schon Nachahmer. Am nächsten Tag bei Oldham Athletic versuchten sich 200 Jungs mit der Ultraszene, leider scheint das ganze Unternehmen noch in den Kinderschuhen zu stecken. Aber auch hier gilt, die Jugend geht eigene Wege. Und so könnte sich in den nächsten Jahren die Szene auf der Insel wieder bewegen, zu mehr Vocal Support, der gelenkt ist.

Den Kontrast bildete dann widerum einen erneuten Tag später das Manchester Derby. Hier war von alledem nicht zu spüren, man begnügte sich mit "old school". Man sang, ohne nennenswerte Choreo oder Abbrennen von Rauchbomben und Pyros. Man sang, man begann und irgendwann vibrierte der ganze Ground. Da war ich dann wieder im guten, trauten Heim des englischen Fussball. Allerdings sind solche Auftritte fast leider schon Ausnahmen, in einem "normalen" Spiel der Premiership gilt der ironische Text "We only sing, when we are winning, and we are singing every day". Englischer Humor, die Antwort auf manchen Fingerzeig aus Deutschland.

CITY  -  the only football team to come from Manchester

RaMü