Demut auf der Ostalb

  Hallo Bloggs,
Platz zehn. So lautet das Saisonziel des VfR Aalen für die neue Saison in der Regionalliga Südwest, nicht viel mehr und nur ein klein wenig weniger. Man ist bescheiden geworden, es ist Demut eingekehrt im Rohrwang, in Aalen. Träumte man vor Jahresfrist noch von der Rückkehr in die zweite Liga zum Jubiläumsjahr 2021, so hält man sich in diesem Sommer mehr als bedeckt. Zu unerwartet war der Sturz, zu groß der Schock, zu tief der Schmerz. Der VfR Aalen ist nun genau über diese eine Klippe gefallen, welche an brutalsten ist. Gewiss, mit jedem Abstieg werden die Einnahmequellen geringer, die Fernsehgelder weniger und der Etat kleiner. Aber der Sturz von der dritten Liga in die viertklassige Regionalliga markiert die größte Klippe, den tiefsten Fall. Der Unterschied ist zu krass, um zumindest auf der Ostalb den sofortigen Wiederaufstieg zu einem Thema zu machen. Es gingen sie alle, alle Spieler bis auf die beiden Schlussmänner, langjährige Vorstandsmitglieder und Fahrensmänner. Alles wurde radikal reduziert, gestrichen, verdünnt. Der Etat ist durch den Abstieg um rund 66% gesunken, da können keine Träume aufkommen.
Der größte optische Einschnitt beim Betreten des Stadions ist ohne Zweifel das Fehlen der seitherigen Westtribüne. Diese wurde im Lauf der Jahre im wieder erweitert und war die Stehplatzheimat der Heimfans. Es war zwar "nur" eine Stahlrohrgerüst, aber diverse Planen und Banner verliehen der Tribüne und dem Ground das gewisse Etwas. Nun klafft da ein großes "Loch", es ist jetzt ein Parkplatz für die Einsatzkräfte des roten Kreuzes.
 
 
 
Die Supporters des VfR sind zwangsläufig umgezogen und es folgte ein gar nicht so üble Lösung. Man macht sich inzwischen auf einem Seitenblock der Südtribüne breit und bildet so mit den etwas ruhigerem Sitzplatzanhang so etwas wie eine Einheit. Weiteres Indiz für Einsparungen ist die drastische Reduzierung der Verpflegungskioske. Gab es seither vier Stück, gibt es zwischenzeitlich nur noch eine Bude. Auch beim weiteren Personal wurde eingeschränkt, an den ganz wenigen Kassenhäuschen bildeten sich lange Schlangen und im gesamten Stadion gab es noch gefühlte zehn Ordner. Das dürfte sich aber noch ändern. Denn es gab keine Kontrollen an den Aufgängen zu den Sitzplatztribünen, also pilgerten viele Leute mit Stehplatzkarten beim einsetzenden Regen auf die natürlich teureren Plätze und setzten sich einfach hin.
 
 
Nun aber endlich zum Spiel. Nach dem 1:2 Auswärtserfolg im ersten Saisonsieg wollte man gegen den Aufsteiger Bahlinger SC unbedingt nachlegen, denn die kommenden drei Spiele haben es in sich: Mit Offenbach, Elversberg und Homburg prallt man auf drei Aufstiegskandidaten. Da wollte man unbedingt mit vollen sechs Zählern in das Rennen. Es fing auch gut an, Vastic gelang schon mit dem ersren Angriff das 1:0 und Ramaj verzog kurz darauf. Nun wird es unübersichtlich, denn Balingen erwachte und zeigte dem offensivfreudigen VfR deine defensiven Schwächen auf, das 1:1 durch Wehrle die logische Konsequenz. Und so ging es munter weiter, Aalen legte immer wieder vor. Mal durch einen Strafstoß, dann durch einen Kopfball und Balingen glich immer wieder aus. So ging es bis zur 68. Minute, bis VfR-Legende Bernhardt im Tor schlichtweg den Ball durchließ und der freche Aufsteiger zum ersten Mal mit 3:4 führte. Aalen schlug zurück und rettete mit dem 4:4 durch Dobros immerhin einen Zähler. Es war ein gerechtes Unentschieden. Der VfR Aalen zeigte unbekümmerten Angriffsfussball und war erschreckend sorglos im Abwehrverhalten, Bahlingen zeigte echt sehenswerten, kompakten Fussball und glänzte auch mehr im Vorwärtsdrang. Für die Zuschauer war es ein Spektakel, für Taktikfreaks und die zuständigen Trainer war es der Horror.
 
 
Die rund 2.500 Zuschauer waren trotzdem zufrieden. Man erlebte eine tolle Vorstellung und bedingungslosen Einsatz, ein Offensivfeuerwerk mit zahlreichen defensiven Querschlägern, egal. Es war auf jeden Fall besser, als dieses seelenlose Gekicke der Abstiegssaison, als eine Truppe voller Maulhelden sich anschickte, den Fussballolymp zu bezwingen und dann in die tiefe Schlucht der Regionmalliga Südwest abstürzten. Man muss anerkennen, der VfR Aalen hat sich gefangen und nimmt mit einem Minietat die Herausforderung in der vierten Liga an. Das spürt man, das fühlt man und ja, es fühlt sich gut an. So wurden die enttäuschten Spieler nach dem Abpfiff vom Anhang frenetisch gefeiert, diese wunderten sich dann doch etwas über den freundlichen Applaus und die aufmunternden Gesänge. Tja, die neue Demut kommt an.
 
 
 
Keep the faith
RaMü