Millmoor - the longest survivor lost Ground

  Hallo Bloggs.
 
Mit der Northern Railway braucht man nur elf Minuten von Sheffield nach Rotherham in South Yorkshire. Der Anblick bietet wenig Erfreuliches. Alte Industrieruinen, Schrottplätze und verkommene Hinterhöfe zeugen vom Niedergang einer Region, welche irgendwann im Einzugsgebiet der einstigen "steel city" Sheffield begann. Für Fussballfans bietet sich aber doch eine etwas nettere Aussicht, links und rechts gibt es zwei Grounds. Wenn der Zug langsam in Richtung Rotherham Central rumpelt, mit zwei Gleisen ein etwas großspuriger Name, fährt man in Fahrtrichtung rechts direkt am New York Stadium von Rotherham United vorbei. Auf der anderen Seite erkennt man die schon deutlich älteren Flutlichtmasten des Millmoor Ground, früher ebenfalls Rotherham United.
 
 
Auf nur 500 Meter Luftlinie kann man die Geschichte der "Millers" verfolgen. Die Gegenwart und Zukunft spielt sich im 2012 neu bezogenen New York Stadium ab, die Vergangenheit erkennt man im Stadion Millmoor Lane, so der exakte Name. Es ist schon erstaunlich, da wurde der alte Ground schon 2008 verlassen und das alt ehrwürdige Stadion steht immer noch. Die vier Jahre dazwischen 2008 und 2012 spielte Rotherham auf diversen Plätzen in der Umgebung, vornehmlich bei Rugbyclubs.
Und so darf sich das Millmoor stolz "the longest survivor lost ground" nennen. Zumindest bis heute. Zwar gibt es immer wieder Pläne das Gelände endlich anders zu nutzen, aber irgendwas sprach immer dagegen.
 
 
Links das neue New York Stadium von Rotherham United. Im Hintergrund, getrennt durch eine Bahnlinie, das alte Millmoor.
 
 
Rotherham United war zufrieden über all die Jahre. Man begnügte sich mit dem Nischendasein im Schatten der Sheffieldclubs, die Rivalen waren Doncaster und Barnsley, der "richtig" große Fussball wurde über Jahrzehnte hinweg in Leeds zelebriert. Als Konsequenz aus den Stadionkatastrophen wurden in England in den sogenannten "Neunzigern" die "all seater Stadiums" ausgerufen und damit gerieten viele Proficlubs in Zugzwang. Man musste umrüsten, erweitern und ausbauen. Oder man baut richtig neu, einige Vereine hatten das eh schon im Auge. Nach langem Tauziehen beschloss man, Millmoor bleibt und wir bauen aus. Zuerst wurde die fünfzig Jahre alte alte hölzerne Haupttribüne abgerissen und dann folgte im Zuge des Neubaus eine Posse, welche sich so auch in Deutschland sehr gut hätte abspielen können. Der Bau begann und man fand ... "Japanese knotweed", eine gaaanz seltene Pflanzenart. Weitere Ereignisse verzögerten die Fertigstellung, von Pleiten der Baufirmen bis Klagen. Irgendwann stellte man den Bau ein, die Haupttribüne wurde einfach nur halb fertig. Zwischenzeitlich reifte der Plan für einen kompletten Neubau, das Unternehmen wurde angegangen und man kündigte dem Stadioneigentümer zum Saisonende 2008. Man hatte die Nase voll und verbrachte lieber vier Spielzeiten im Exil.
 
 
Der ehemalige Eingang zur früheren Geschätsstelle.
 
 
 
Die letzte Renovierung erfolgte im Jahre 2004. Das Tivoli End erhielt Sitzplätze und war die Tribüne der Heimfans.
 
 
Pretty old ground. Mit etwas Willen und Geld könnte das Millmoor wieder für einen beschränkten Spielbetrieb zugelassen werden
 
 
Also dieser Hinweis dürfte mehr als nur fünfzehn Jahre alt sein. Ich schätze so auf die "Achtziger". Ein Preis von umgerechnet 3.-- € für Erwachsene und nur ein Pfund für Kinder, das habe ich zu Beginn meiner "Supporterkarriere" bezahlt. Glory old days.
 
 
Diese Straße führt zur "Railway End" für die Auswärtsfans. Allerdings ist nunmehr diese Straße gesperrt, die anliegende Firma hat ihren Platz erweitert. Somit hat dieses Bild schon historischen Charakter.
 
 
Verrammel und verriegelt. Das Millmoor dämmert seinem Ende entgegen, seit 2008.
 
Diese Bilder stammen vom Dezember 2016. Das besuchte Spiel im New York Stadium war an einem Freitagabend, am Samstag bin ich dann extra nochmals hin und habe mir das Millmoor in aller Ruhe angesehen. Zwischenzeitlich hat sich nicht viel getan. Erst im Oktober 2020 erschien in der Yorkshirepost ein Artikel über das Millmoor. Im Prinzip ist allen noch wie bei meinem Besuch, bis eben auf die Sperrung an der Railway End. Allerdings verdichten sich die Meldungen, dass das Gelände jetzt doch noch anders gebraucht wird.
Die unmittelbare Umgebung des Millmoor ist wenig einladend. Ein Autohändler mit neuer Tankstelle, ein doch recht großer Schrotthändler und verschiedene Kleinfirmen bilden die Umgebung. Die wenigen Wohnhäuser sind richtig am Ende, die Ladengeschäfte auf  äußerst bescheidenem Niveau. Man kann den Niedergang förmlich sehen. Heute finden im Millmoor keine regelmäßigen Spiele mehr statt. Ausnahmen gibt es aber doch noch, verschiedene Aufstiegs- und Pokalendspiele der unteren Amateurligen finden noch ab und zu statt, ebenso Jugendspiele.
Rotherham selbst bietet auch wenig. Es gibt trotz der reichen Geschichte kaum historische Gebäude. Alles ist trist und trostlos, speziell im Winter oder an dunklen Tagen. Leider wurde man weltweit bekannt durch einen jahrelangen Missbrauchskandal. Die örtliche Behörden verfolgten Hinweise aus der Bevölkerung nur zögernd, weil man aufgrund der zu ermittelnden Zielgruppe "rassistische" Vorwürfe befürchtete. Erst eine Sonderkommision beendete das Treiben.
 
 
Der "Red Lion" Pub ist eines der wenigen alten Gebäude im Zentrum von Rotherham.
 
 
Da ist die Geschichte der "Millers" schon etwas erhellender. Aber gleichzeitig dokumentiert es auch den Untergang einer alten Stadionkultur, welche für Jahrzehnte Tausende von nichtbritischen Fussballfans begeisterte. Ich gehörte und gehöre dazu.
 
Keep the faith.
RaMü