Der gedrehte Wind

&   Hallo Bloggs,

die englischen Fussballfans können den deutschen Vereinen nicht viel abgewinnen. Man kennt zwar Bayern und Dortmund, aber dann?  Die internationale Präsenz der Bundesliga ist nur diese beiden Zugpferde beschränkt, den Rest kennt man kaum. Zwar war in der letzten Vergangenheit die Erfolgsbilanz der englischen Clubs auch nicht gerade toll, aber in der öffentlichen Wahrnehmung ist das komplett anders. Aber um zwei gewichtige Gründe haben uns die Supporters von der Insel immer beneidet, um "the Mannschaft" und um die Art der Ausbildung der kommenden Profis. Aber auch hier hat sich der Wind gewaltig gedreht. Es genügte der Sommer 2018. "Die Mannschaft" war keine Mannschaft, sondern ein zersplitterter Haufen unter der Fuchtel eines selbstgefälligen Trainers. Auch das letzte Standbein der deutschen Überheblichkeit ist nun weggebrochen, der Nachwuchs ist im Moment etwas ins Hintertreffen geraten.

Irgendetwas wurde in den letzten Jahren verschlafen. Anscheinend hat man sich begnügt, nach der EM-Schmach von 2004 / Ausscheiden in der Vorrunde, radikal umzustellen und neue Schwerpunkte zu setzen. Zunächst war alles richtig und trug Früchte. Die Heim-WM 2006 bescherte der Nationalmannschaft einen Jugendschwung, welcher das nächste Jahrzehnt prägte. Der verdiente Höhepunkt war der Weltmeistertitel im Jahre 2014. Den weiteren Weg kennen wir alle. Aber anscheinend ruhte man sich in Sachen Nachwuchsförderung aus. England war zunächst ohnmächtig, legte sich dann aber noch mächtiger in die Riemen. Die schier unerschöpfliche Geldquelle Premier League bescherte jede Menge nagelneuer Kaderschmieden, alles wurde profesioneller. Auch der Verband erkannte die Schwachstelle und man schuf im Zentrum des Landes ein Jugendtrainingszentrum, welches den neuen Schwerpunkt symolisierte. Aber es war auch bitter nötig.

Die Premiership läßt im Prinzip keine Förderung der Talente zu. Man muss sofort funktionieren, oder es kommt der nächste Spieler. Viele Jungspunde verabschiedeten sich in die unteren Ligen, aber deren Bedarf ist ja auch groß. Diese drei Ligen, nationwide, haben insgesamt 72 Vereine, sogar die "höchste Amateurliga" hat diesselbe Anzahl. Es ist das Auffangbecken für den echten englischen Fussball.

Dass in Deutschland irgendwas nicht stimmt, zeigt die Tatsache, dass die Bundesliga geradezu "verrückt" nach englischen Nachwuchsspielern ist. Der Hype des FC Bayern um das Chelseatalent Callum Hudson-Odoi ist das beste Beispiel. Angetrieben von dem Erfolg eines Jadon Sancho / ManCITY beim BvB und eines Reiss Nelson / Arsenal bei der TSG Hoffenheim, will man nun nachziehen. Die Summen steigen schnell und schwindelerregend. So hat ManCITY soeben sein Sturmtalent Brahim Diaz zu Real Madrid verkauft, für umgerechnet rund 22 Millionen €.

Nun frage ich mich aber, was ist mit den deutschen Talenten? Sind die Jungs nicht gut genug, haben die Nachwuchsspieler nicht genug Biss, bekommt man keine Chance? Es gibt keine klare Antwort, sonst könnte man den Hebel genau da ansetzen. Da kommt ein Nachwuchsteam vom FC Liverpool mit null % Hallenerfahrung zum größten Hallenevent der Republik und gewinnt. Was läuft da schief? Es ist verwunderlich, dass Clubs urplötzlich teures Geld für Nachwuchs aus dem Ausland ausgeben, anstatt den eigenen Bereich zu fördern. Zwar betont jeder Vereinsboss die Jugendarbeit, aber mehr oftmals nicht. Natürlich gibt es noch deutschen Nachwuchs, aber die kommen bei den Spitzenclubs nicht zum Zuge. Vereine mit schlechteren wirtschaftlichen Bedingungen sind ja dazu gezwungen, aber sonst? 

Es wird Jahre dauern, bis man wieder Spitze ist. In unserer kurzlebigen "Mouseclickgenaration" will man alles und schnell, hat der Nachwuchs die Geduld, den Willen, die Kraft zum Durchbruch? Dazu brauche ich aber auch einen dementsprechenden Verein und dann muss auch die Liga stimmen. Aber da ist es schon problematisch. Wie gesagt, im Mutterland des Fussballs hat man das erkannt und ist weiter, man hat die Premier League 2 installiert. Das ist eine freiwillige Liga, in der die bis zu 23-Jährigen spielen können. Es gibt zwei regionale Ligen, dazu ein eigener Pokalwettbewerb und die Checkatrade Thropy. In diesem zusätzlichen Pokal messen sich die gemeldeten U-21 Teams mit Dritt- und Viertligisten. Das Endspiel findet im Wembleystadion statt. Man sieht, in England ist man weiter, viel weiter. Der Beruf des Fussballers ist begehrt und man hat bei den vielen Spielen außerhalb der Premiership genug Gelegenheit, sein Können zu zeigen.

Auszug aus dem Spielplan der PL2 / Manchester City EDS. Elite Developtment Squad.

Die U21 von Manchester City ist das letzte Nachwuchsteam in diesem Pokal.

Der sportliche Wert ist enorm: Mit Portsmouth, Sunderland und Peterborough stehen drei Spitzenclubs der dritten Liga im Viertelfinale.

Natürlich kosteten solche Spiele Geld. Zuschauereinnahmen sind eher gering, wenn überhaupt vorhanden. Aber, man ist gewillt. In Deutschland dagegen fährt man etwas runter, selbst Vereine wie Frankfurt haben über der U18 kein Team mehr. Wenn das sich mal nicht rächt?

Keep the faith

RaMü