Wir nannten ihn "Grizzly".

Hallo Bluebloggs,

der Mann war fast eine Hüne, gekleidet im schwarzen Auswärtstrikot des VfB hing er über dem Weizenglas und hielt sich daran fest. Der Bistrowagen rumpelte und wackelte, das Glas nicht. Gewaltige Pratzen gaben Halt und der Kopf war im Schlafmodus, die schwarzen Haare verschmolzen mit dem Trikot und irgendwann sagte irgendwer nur noch, "der Grizzly" ist müde.

Es war auf der Rückfahrt im IC von Köln in Richtung Heimat. Als echte Schwaben hatten wir natürlich auf eine Sitzplatzreservierung verzichtet, die fälligen 4,50 € wurden besser eingesetzt, und zwar im Bistro. Allerdings hatten einige Fans diesselbe Idee, dementsprechend rot war das Publikum. Zusätzlich waren wohl welche auf der Bootsmesse, denn nebenan wurde über Segelmöglichkeiten in der kroatischen Adria schwadroniert. Eine gesittete, ältere Dame mit ihrem Flammkuchenstückchen für 6,40 schaute empört um sich, als die Roten zu singen begannen. Der Chor war bunt und gemischt, Jugendliche bis Aufstiegsveteranen, von Hall bis Betzingen, alles war vertreten. "... und in Kopenhagen klingelt`s Telefon" war der Opener, dann folgte die Beschwörung alter Zeiten, der deutsche Meister kann demnach nur VfB heißen. Anschließend wurde es rustikaler, man wendete sich dem FC Bayern zu. " ... und so ziehen wir in München ein und schlagen alles kurz und klein". Nun war das Mass voll, die vornehme Dame nahm flugs das Täschchen und räumte den bis dahin tapfer verteidigten Platz. Das Liedgut steigerte sich nun zusehends in unappetittliche Höhen, die Grenze des Jugendschutzgesetzes wurde um Längen überschritten. Das weiblichen Gäste schauten betreten zu Boden und sogar mancher VfB-Fan begann das Fremdschämen. Irgendwann ging die Kondition aus, der punktereiche Tag forderete seinen Tribut. Es wurde zusehends ruhiger, zumal auch das Personal hinter der Theke wechselte. Jetzt wurde mehr diskutiert und Blödsinn gesprochen, denn gegröhlt. Ganz zum Schluß wagten wir uns dann gemeinsam an die bedeutungsvolle Frage, wie hieß eigentlich der kleine brasilianische Stürmer noch, welcher vor ungefähr X? Jahren mal drei Tore im Januar gegen den FC Kaiserslautern geschossen hat. Da der W-LanEmpfang auf der IC-Strecke äußerst schlecht ist, konnte das Smart nicht befragt werden. Tja, jetzt waren die echten Experten gefragt. Irgendwann, inzwischen sang Gianna Nannini ihr "Latin Lover" aus den Boxen kamen wir drauf, Ademar hieß der gute Mann. Und so verstrichen die Minuten, bis schließlich der Bahnhof in Sicht kam und wir ausstiegen. Auf dem Bahnsteig sahen wir den Zug dann in der Nacht verschwinden wie einst Lucky Luke im Sonnenuntergang.

PS: Durch das Fenster sah ich dann nochmals den "Grizzly", die Position war unverändert.

Auswärtsiege sind schön, immer wieder schön.

RaMü