MV spricht Klartext / 77Cult

Hallo Bluebloggs,

den MV nannten manche Zeitgenossen manchmal auch Mayer-Vorderlader. Das ist natürlich untertrieben, wenn MV geladen war hatte es manchmal die Wirkung wie bei der schweren "Gustav", dem größten deutschen Feldgeschütz im zweiten Weltkrieg. Der Mann warf sich unerschrocken ins Kampfgetümmel, bei den Fallschirmjägern war der damalige Reserveoffizier und Kompaniechef also sehr gut aufgehoben.

In seiner Funktion als Präsident des VfB kannte der Mittvierziger nur eine Richtung: Vorwärts. Das war auch nicht unbedingt besonders schwer, schließlich übernahm MV einen völlig desolaten Club. Rang 11 im ersten Jahr nach dem schmachvollen Abstieg, trüber gings nimmer. Der Mann hatte Vorstellungen und fand mit Jürgen Sundermann den besten Kumpel seiner Zeit. Man warf die restlichen, satten Stars über Bord, behielt zwei, drei urschwäbische Korsettstangen und hatte das Dusel, im Nachwuchsbereich eine goldene Generation vorzufinden. Dieser Weg führte zum unmittelbaren Aufstieg im zweiten Jahr und zum Durchmarsch zur deutschen Spitzenklasse. 

Die damaligen "Amateure" waren ausgelaugt und man maulte rum, im Verein und im Umfeld. Die sportliche Situation war bescheiden und dann wendete sich MV an das Bruddlervolk, mit einem "Bastawort" beendete er alle Diskussionen und stellte klar: "Der Verein bin ich". Wenn ich nur an den Doppelabstieg in der letzten Saison denke, wer stärkte der damaligen zweiten Mannschaft den Rücken, wer wendete sich beim drohenden "worst case" beider Teams an die Fans? Wegducken, untertauchen, Schneckenhaus lautet die Devise. Lahme Stellungnahmen ohne Feuer, keiner stemmte sich mehr wirklich und mannhaft gegen das aufziehende Unheil. Also hat man die heutige Paarungen voll und ganz verdient, ohne wenn und aber.

Hier nun also ein Beispiel, wie 1977 "geführt" wurde:

Schon die Einleitung war toll; auf ein (m)ein Wort. Das sagte vieles oder gar alles aus. Natürlich ging es zunächst um den sportlichen Erfolg und man sprach dem Lizenzspielerkader das Vertrauen aus. Anschließend ging es an das Eingemachte:

I. Amateurliga Nordwürttemberg ! Die "Amateure" waren noch richtige Amateure. Gegner waren der FV Zuffenhausen, Germannia Bietigheim, 07 Ludwigsburg oder die Spvgg. Aidlingen. Meister wurde der SSV Ulm.  Die gesamte Tabelle hier: de.wikipedia.org/wiki/1._Amateurliga_Nordw%C3%BCrttemberg_1977/78

Bumm! Viele Fans vermissen heute solche Ansagen, anderseits will man aber mitsprechen und mitgestalten. Da war nun ganz und gar nicht der Stil unseres MV. Wie gesagt, es war damals aber der wohl einzig richtige Weg, wie die späteren Jahrzehnte zeigten.

Später wurde der Expräsident oft als starrsinnig und egoistisch verschrien, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt habe. Das stimmt nur bedingt. Als DFB-Vorstand entschied er 2004 im Alleingang (!) den wichtigen Trainerposten für die Heim-WM 2006 mit Jürgen Klinsmann zu besetzen. Der Aufschrei war gewaltig, jetzt "dreht er voll ganz durch". Der "Ami" kam und brachte seine Konditionstrainer mit, das Konzept griff und bescherte der N11 den Aufschwung, der 2014 zum Gewinn des Weltmeistertitels führte. Noch wichtiger war die Vorgabe, nach der EM-Pleite 2004 das Jugendkonzept neu aufzustellen und die Bundesligavereine zum Aufbau von Trainingszentren zu drängen. "Ohne Jugendleistungszentrum, keine Lizenz", so ungefähr war das Leitwort. Hier bewieß MV Instinkt und scheute sich auch nicht, das Nachwuchskonzept der damals führenden Fussballnationen Frankreich und Holland zu kopieren und dann typisch deutsch verbissen zu verbessern.

Unvergesslich noch ein altes Video, wie MV als VfB-Präse im Spielertunnel steht und dann unter martialischer Musik aufs Feld schreitet und von Spielen seines VfB gegen Real und Manchester United träumt. Später wurde es zum Teil Wirklichkeit, heute sieht die Witklichkeit so aus: Am WE in Sandhausen und zwei Wochen später gegen Heidenheim.

Gerhard Mayer-Vorfelder starb am 17. August 2015.  RiP, rest in peace, ruhe in Frieden.

RaMü