Boleyn Ground oder Upton Park?

   Hallo Bloggs.
 
In der britischen Hauptstadt ist das Baufieber etwas abgeflaut, fast alle namhaften Vorzeigeclubs haben nun ihre alte Heimat verlassen und sind in schöne, neue Grounds umgezogen. Entweder in einen kompletten Neubau, oder wurde ein bisheriges Leichtathletikstadion zu einer Fussballarena umgebaut. So erging es auch West Ham United. Vom Boleyn Ground, oder doch Upton Park ins London Stadium.
Der Boleyn Ground war die Heimstätte für über hundert Jahre, von der Eröffnung im Jahre 1904 bis zum Abriß 2016 war es eingepfercht irgendwo im Stadtteil Upton Park, nur wenige hundert Meter von der gleichnamigen Tube Station entfernt. Für viele hieß das Stadion daher einfach Upton Park, was so nicht stimmt. Betrachtet man das etwas ältere Wappen der "Hammers" genau, erkennt man die Umrisse einer Burg. Und jetzt muss man schon in die Gründungszeit des Stadions reisen, ach was im Prinzip bis zu den Zeiten von König Heinrich, dem VIII.
Auf dem Grundstück stand eine Schule, welche Boleyn Castle genannt wurde. Anne Boleyn war die zweite Ehefrau von Heinrich, allerdings nur für drei Jahre. Irgendwann wurde der rastlose Heinrich seiner Frau überdüßig und ließ sie wegen angeblichem Ehebruch 1536 köpfen.
 
 
Wappen von 1998 bis 2016
 
 
Anne Boleyn, einstige Grundstückbesitzerin
 
So, jetzt hätten wir das auch geklärt. West Ham United stand schon immer im Schatten von Arsenal, Tottenham und Chelsea. Siege gegen die verhassten Nachbarn waren selten, die Teilnahmen an internationalen Wettbewerben in jüngster Zeit eher rar. Dabei war West Ham mal eine Macht, 1965 gewann man gar den Pokal der Pokalsieger. In Wembley gegen den TSV 1860 München. Junge, Junge! West Ham ist ein Arbeiterclub, durch und durch. Gegründet von Werftarbeitern fühlt er sich als Sammelbecken der "Arbeiterklasse" und dementsprechend ruppig ist auch die Einstellung und das Benehmen der Fans. Die größte Feindschaft pflegt man allerdings gleich mit dem Nachbarn um die Ecke, dem FC Millwall. Auch so eine Truppe von den Docks.
Irgendwann aber kam dann die bittere Erkenntnis, auf Dauer ist der Boleyn Ground unrentabel, trotz mehrerer Umbauten. Wir brauchen ein größeres Stadion, so der Tenor. Und so kam ganz am Ende der Überlegungen schließlich der Umzug in das ehemalige Olympiastadion zustande, nach einer dreijährigen Umbauzeit zwischen 2013 und 2016. Ob die West Ham Fans allerdings so richtig glücklich mit ihrer neuen Heimat sind, ich weiß nicht. Ich war noch nicht dort, aber was man so sieht ist nicht gerade toll. Natürlich ist alles rundum rund, abgeschleckt und gestylt. Aber irgendwie ohne Seele. Da war der alte Boleyn Ground doch eine andere Hausnummer.
 
 
Eine seltene Aufnahme aus dem Jahre 1988. Insgesamt gab es vier große Umbauten. Zuerst 1944, dann 1993, 1995 und 2001. Man sieht, hier handelt sich um den Boleyn Ground in seiner fast ursprünglichen Form.
 
 
Man beachte die Anspielzeit um 11.30 Uhr. Ich erinnere mich noch an einen launigen Kommentar meines Kumpels. "Mann, so viele Zuschauer bei einem Kick der A-Junioren". Damals spielte die besagte Jugendklasse in Deutschland Sonntags um 10.30 Uhr.
 
 
Der letzte Besuch war dann im November 2015. Hier die Upton Park Station, für viele Fans der geläufigere Name für das Stadion. Obwohl falsch!
 
 
Die Vorderansicht des Boleyn Ground. Die Eingänge zur Haupttribüne hat man mit den Türmen aus dem Wappen "aufgepeppt". Über Geschmack läßt sich bekanntlich trefflich streiten.
 
 
Hinten rum sieht es schon wesentlicher rustikaler aus. Immerhin stimmt die Beschreibung am Straßenschild.
 
 
Der Zahn der Zeit nagt am Ground. Es waren nur noch wenige Monate bis zum Umzug.
 
 
Die alten englischen Stadien waren immer eng, hatten steile Treppen und mit viel Farbe zugekleckst.
 
 
Zum Schluß gingen 36.000 Fans rein. Der Unterschied zu 1988 ist schon gewaltig.
 
 
Beim Match gegen West Bromwich Albion ( 1:1 ) war ich inmitten einer rund zweihundertköpfigen Truppe, welche in unmittelbarer Nähe des Gästeblocks ihren Platz hatte. Das ist in England öfters zu beobachten. Ein tolles Erlebnis.
 
 
Und so sieht es wohl heute aus. © London Standard.
 
 
Und mit dem " The Boleyn " Pub verabschieden wir uns vom Boleyn Ground. Rest in peace, 1904 - 2016.
 
 
Zum Schluß noch etwas Wermut. Mit dem Umzug wurde auch das Vereinswappen neu gestaltet. Die "Burg" der Anne Boleyn ist verschwunden, das Namensband entfallen. Lediglich die gekreuzten Hämmer sind geblieben. Zudem wurde noch der Schriftzug London beigefügt. Das dürfte wohl aus vermarktungstechnischen Gründen passiert sein.
 
Keep the faith.
RaMü
 
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