"Neutrale Karten"

gibt es in England nicht. Punkt.

Hallo Bloggs,

+ . Natürlich habe ich die unwürdigen Szenen im TV gesehen, die britischen Zeitungen berichteten in einer Art "Liveticker" seit dem Nachmittag von den Vorkommnissen vor dem Europa League Match zwischen Arsenal und dem FC Köln. Dass die "Fanflut" aus Deutschland nichts Neues ist, weiß man spätestens seit dem rein deutschen Champions League Finale in London seit einigen Jahren. Ich trenne mal das Thema:

Die englischen Fussballfans reisen ohne Ticket nicht an. Denen ist schlichtweg das Geld viel zu schade. Es ist das Resultat einer strikten Erziehung seit Jahrzehnten. Es gab das "schwarze" Jahrzehnt mit insgesamt Hunderte (!) von Toten und Schwerverletzten. Die Ursachen waren die Blockstürme in Sheffield, der Tribünenbränd in Bradford und kriegsähnliche Szenen wie in Brüssel zwischen L´pool und Juve. Dann wurde durchgegriffen. Folge: Die Hooligans wurden aus dem Stadion gedrängt, die Stadien von Grund auf neu konzipiert und die überhöhten Ticketpreise verbannte die "working class" der Fans. Unter anderem rührt daher auch die zum Teil echt maue Stimmung in den Stadien. Zudem hat sich die Fankultur entzweit. England ist irgendwie stehen geblieben, in den übrigen Ligen sorgt der Einsatz von Trommeln, Fonen und ganzer Boygroups als Vorsänger für eine offensichtlich bessere Laune. 

In den englischen Stadien gibt es keine "neutrale Blöcke". Punkt, Aus. Es ist schlichtweg unmöglich, in einem Trikot oder Schal des Gegners irgendwo zu sitzen, als außer im eigentlichen Gästeblock. Normalerweise werden selbst Touristen entfernt, sollte man bei einem Tor der Gäste aufspringen. Ich habe diese Abführungen selbst schon gesehen, bei Heimspielen von ManCITY in der Prem und in der CL. Die Stewards und die Polizei ist da unerbittlich. Deshalb habe ich in der "neueren" Zeit auch kein Auswärtsspiel von ManCITY besucht, obwohl ich ab und zu problemlos an Karten gekommen wäre.

Der deutsche Fussballfan reist auch ohne Karte an und versucht über Onlineportale oder vor Ort an Karten zu kommen. Das ist nicht legitim, widerspricht es doch den Regeln des Kartenverkaufs. Da steht im Normalfall drauf, dass im jeweiligen Block sich keine Gästefans aufhalten dürfen. Die Stewards hatten dann das zusätzliche Problem, dass man von der Masse schlichtweg "überrollt" wurde. Da steht man mit einem bezahlten und somit eigentlich gültigen Ticket und darf nicht rein. In diesem Fall im Prinzip mit Recht. Schließlich gibt es keine neutralen Plätze, ein FC-Fan ist in diesem Match niemals neutral, und dann verstößt man gegen die Vorschriften. Trotzdem gelangen mehrere Tausend Kölner ins Stadion, zusätzlich zu den offiziell 2.900. Dass diese dann inmitten der Arsenalfans standen und gar versuchten, in den eigen Gästeblock zu gelangen, konnte nur Chaos erzeugen.

Man muss sich nun seiten des FC Arsenal einige Fragen gefallen lassen. Wie kann es sein, dass Tausende Tickets legal in deutsche Hände gelangen? Wieso verscherbeln Arsenaldauerkartenbesitzer ihr Ticket an Deutsche? Was hat nicht geklappt, mit dem Sicherheitssystem?

Das die Geissbockfans jetzt immer nur auf ihre eigene, geile Stimmung hinweißen ist verständlich. Aber auch keine große Heldentat. Schließlich wird das Emirates in ganz England als "Bibliothek" verspottet und hat die teuersten Eintrittskarten. Aber auch in den anderen Stadien in der Premiership sieht es ähnlich aus, nur nicht ganz so krass.

Ein weiteres Beispiel. Ich war beim letzten Heimspiel des VfB Stuttgart im Stadion, als man mit einem Heimsieg über Würzburg aufstieg. Und was machen die Sportfreunde? Man stürmt den Rasen und versaut die ganze Aufstiegsfeier im Stadion. Hätte alles irgendwann wieder den Rückmarsch auf die Ränge begonnen, hätten alle was davon gehabt. Die Mannschaft hätte für alle sichtbar die Schale in Empfang genommen und dann eine lange Ehrenrunde entlang an der Barriere gestartet. Familien hätten ein Leben lang davon erzählt, "Opa, der xY war mit Schale nur zwei Meter entfernt". Hätte, hätte, hätte .... NEIN, es sollte nicht sein. Man feierte lieber sich selbst und den selbstlosen späteren Abgänger Maxim auf dem Dach der Auswechselbank.

So geht es auch: Ich war 2012 beim Platzsturm mit dabei, jawohl. Und zwar bei ManCITY nach dem Lastminutesieg gegen die Queens Park Rangers. Auch ich und viele Tausende andere Cityfans feierten, alle freuten sich und keine riß ein Stück Rasen raus. Nach zwanzig Minuten trollte man sich wieder und kehrte auf die Plätze zurück. Dann folgte eine Pyroshow und die Ehrenrunde, Geht doch. Und das nach dem ersten Meistertitel nach 44 Jahren. Siehe auch Bilder: Ashton New Road May 13th 2012/ .

Der deutsche Fussball sieht sich seit mehreren Jahren immer mehr unter Druck gesetzt. Die steigende Geldflut ist die eine Sache, das Fanverhalten eine andere. Da meinen immer mehr Leute im Stadion, man müsse dem DFB und seinen Vereinen seinen Willen aufzwingen. Viele vermengen da Vereinsliebe und Selbstdarstellung. Da hüpft man wie die Duracell-Hasen auf der Tribüne und unterbricht die Einlage nicht mal, wenn der eigene Stürmer frei vor dem gegnerischen Torwart steht. Wie auch, der Vorsänger hat ja nicht das Zeichen zum Jubeln gegeben. Da erzwingt man die Vergabe von Tickets für Auswärtsspiele um dort dann eine Pyroshow abzuziehen, welche dem "geliebten" Verein dann wieder Geld kostet. Fussballwelt verkehrt ! Es gibt noch weitere Beispiele, aber das würde den Rahmen sprengen.

Die Dinge drumherum waren das eine Thema, der sportliche Teil ging völlig unter. Da gewinnt eine 1b-Vertretung nach einer schwachen ersten Halbzeit noch mit 3:1, trotz der fehlenden Unterstützung der eigenen Fans. Sportlich hat Arsenal die Antwort gegeben. Es zählt nun mal nicht, wieviel Tausend bringe ich mit, es zählen letztlich die Tore. PS: Ich bin mal gespannt, ob der FC in Belgrad ähnlich auftrumpft. Ich glaube, da knallt es gewaltig. Auf dem Balkan geht das nicht so einfach, schon wegen der Logistik. Kurz nach London ist von Köln aus keine Heldentat, in das ehemalige Bürgerkriegsland schon. Man darf gespannt sein !

Keep the faith,

RaMü