Das Stadion an der Grenze ...
 
Hallo Bloggs. Komplett heißt es Friedrich-Ludwigs-Jahn-Sportpark und seit geraumer Zeit kann man dieses Stadion nicht mehr als komplett bezeichnen, im Gegenteil. Es wird komplett abgerissen. Ich war zu spät, die Haupüttribüne fehlte schon gänzlich.
Der große Treff der VfB-Fans war ja bekanntlich der Breitscheidplatz, aber was soll ich da um 11.00 Uhr? Also habe ich mich von meinen Mitstreitern abgemeldet und meine eigene Tour gemacht. Mal wieder. Die nunmehr abgerissene Grenzübertrittsstelle Bornholmer Straße hat ja deutsche Geschichte geschrieben und von dort aus bin ich quasi im ehemaligen Ostsektor entlang großzügig an der nicht mehr vorhandenen Berliner Mauer Richtung Jahn-Sportpark gelatscht. Es war zum Ende der DDR hin das am meisten gehassten Stadion innerhalb des selbsternannten Arbeiter- und Bauernstaates, hier spielte der BFC Dynamo. Die allermeisten Oberligakenner des DDR-Fussballs nennen diesen Verein verächtlich nur "Stasiclub". Der Grund ist relativ einfach, der "Chef" der Stasi / Staatssicherheitsdienst oder offiziell MfS / Ministerium für Staatssicherheit war bekennender Fan des Vereins, es war "Genosse" Mielke. Das damalige System bevorzugte diesen Club, um einen Verein international salonfähig zu machen. Es sollte ein Club aus der Hauptstadt sein und zumindest auch in der nationalen Oberliga / höchste Spielklasse der DDR die absolute Nummer eins. Das Transfersystem sah keine Ablösessummen in herkömmlichen Sinne vor, sondern sport-politische Gründe entschieden. Die besten Spieler wurden einfach deligiert, also abkommandiert. Zudem gab es in diesen Jahren ab und zu immer seltsame Schiedsrichterentscheidungen, welche eigentlich immer zugunsten des BFC Dynamo ausgingen. Kurzum, so wird man Rekordmeister. 
Die meisten Leute machen den Jahn-Sportpark an diesen Jahrzehnten fest, dabei hat die Geschichte weitaus mehr zu bieten. Hier fand das erste Städtespiel in Deutschland statt. 1892 empfing eine Berliner Auswahl des Deutschen Fussball- und Cricket Bundes die Gäste vom Dresdner English Football Club. Zugleich war es das erste Match, das mit Zeitungsanzeigen und Plakaten beworben wurde und zum allerersten Male wurde ein Eintrittsgeld verlangt. Man sieht, alles hat irgendwann seinen Anfang. PS: Die Außenlinien waren durch dicke Taue markiert und das Stadion war lediglich eine große Wiese. So gesehen, kann man diesen damaligen Sportpark auch als einen Meilenstein des Vereinsfussball bezeichnen.
Da könnte man noch viieel mehr schreiben, aber dafür gibt es bessere Quellen. Auf jeden Fall hat dieses Stadion einiges erlebt und überdauert, aber jetzt ist Schluß. Der Abriß ist in vollem Gange und danach kommt es zu einem Neubau. Allerdings ist hier der Schwerpunkt dann der Inklusionssport. Heißt, es soll ein Aushängeschild für Behindertensport werden. Ein würdiges Stadion für Leute, welche trotz Einschränkungen ihrem Sport nachgehen möchten. Finde ich gut, da könnte sich so mancher, hochdotierter Kicker mal ein Stück Lebenswillen abschauen.
Ja, und dann war ich da. Zunächst war ich überrascht. Der Entschluß zu einem Besuch war kurzfristig und daher fehlte mir der Background. Egal, jetzt war ich halt da.
 
 
Da die Abrißstelle rundum mit Zäunen und Planen gesichert war, bin ich an der Halle daneben auf eine Anhöhe. So hatte ich doch noch einen kleinen Einblick und das ehemalige Stadion. Links sieht man noch die Überreste der Haupttribüne.
 
 
Am 24. Mai 2025 war das der Anblick der Haupttribüne. Das Gebäude ist im Prinzip schon abgetragen, lediglich die Treppe rechts ist noch funktionsföhig. Wenn alles weg ist, wird bis auf eine kleine Ausnahme kein Stein mehr an die alten Zeiten erinnern.
 
 
Also auf diesem Bild sieht man fast noch den Orginalzustand, zumindest im Groben. Die Gegentribüne rechts steht noch unbeschadet, die Sitzplätzränge in der Kurve gibt es noch als Basis. Die Sitzschalen wurden längst demontiert.
 
 
Die offizielle Zufahrt zum Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark ist noch erkennbar. Vielleicht bleiben die Stelen stehen, als Erinnerung an den ursprünglichen Sportpark. Schließlich ist dieses Gelände mehr. Zahlreiche Sportflächen sind umrahmt mit uralten Bäumen, geschichtsträchtigen und neuen Gebäuden.
 
 
Hier ein Bild aus dem Jahre 1954. Auf den Trümmerfeldern entstand zunächst dieses einfache Stadion, noch ohne überdachte Tribüne und solchen Schnickschnack. Deutlich sieht man die weißen Stelen und das große Gebäude. Der Pfeil markierte meinen Standort für diese Aufnahme am 24. Mai 2025, siehe unten.
 
 
Ein weiterer, ehemaliger Aspekt war die Tatsache, dass der Jahn-Sportpark im Prinzip Grenzgebiet war. Mit dem Bau der Berliner Grenzanlagen rückte auch dieser Ground in den Blickpunkt. Die erste Sperrmauer begann unmittelbar hiner den Aufgängen zur Gegentribüne. Man stelle sich das vor: Da geht man die Treppe rauf, hinter dieser Mauer "im Rücken" gibt es dann Minen, Selbstschußanlagen, Wachtürme und dergleichen mehr. Es trennen etwa 150 Meter.
 
 
Auf diesem Archivbild aus dem Jahre 1988 sieht man es richtig deutlich, das Stadion an der Grenze. Der Grenzstreifen ist sehr breit. Links dann, eigentlich nicht im Bild, West-Berlin. Dann kommt die erste Grenzmauer, ein im Bau befindlicher weiterer Grenzstreifen. Sperrgitter, ein Graben, dann der erste Hang. Oben weiterer Sandstreifen, Lampen und Grenzstreifen für die Kontrollfahrten. Der nächste Hang, ein weiterer Zaun mit zusätzlichen Selbstschußanlagen. Die weiße Mauer bildet dann von der ostdeutschen Seite aus gesehen das erste "Sperrelement". Nun endlich der Zwischenraum hinter der Tribüne mit den Zugängen zu den Plätzen der Gegengerade. Heute ist in auf diesem Gelände ein Mauerpark angelegt, die Hänge werden zum Picknick genutzt und Erinnerungstafeln zeigen die Situation, welche heute für die meisten Bundesbürger undenkbar scheint.
Zum Schluß. Ich war nie zu einem Spiel dort. Damals, 2013 hatte ich aber immerhin eine Karte. Da spielte der BFC Dynamo sein DFB-Pokalspiel gegen den VfB in der ersten Runde im Jahnpark aus. Leider erreichte mich am Vortag die Nachricht, dass mein Vater überraschend im Krankenhaus verstorben war. Also ins Auto und so schnell wie möglich heim. So kann es gehen. Der Mensch plant und denkt, aber Gott sitzt am Steuerrad und lenkt.
 
 
Keep the faith.
RaMü.