Der Putsch(versuch)

  Hallo Bloggs.
 
Dass der Fussball kurzlebig ist, wissen wir ja schon lange. Aber so schnell und so kurz? Am Dienstagabend hatte ich noch eine Post mit der Überschrift "Das Erdbeben" geschrieben und am Mittwoch nochmals drüberlesen und einstellen wollen. Alles umsonst, der Putschversuch der zwölf Clubs ist gescheitert und so ist eine neue Post fällig. Es gibt ja schließlich das Ende der ESL zu verkünden, vorläufig kehren die "Putschisten" reuemütig in den Kreis der ach so großen und gutherzigen Fussballfamilie zurück. Kehrt jetzt der große Frieden ein?
 
Es waren denkwürdige 48 Stunden. Die nächtliche Machtübernahme von Sonntag auf Montag erinnerte doch tatsächlich an real existierende Vorbilder, wenn die Bevölkerung in der Früh die Augen reibt und den Kaffee schlürft, sind die Machtverhältnisse neu geklärt und geregelt. Allerdings scheint der Zeitpunkt verraten geworden zu sein. Ich vermute mal, jemand hat voreilig geplaudert und dann mussten nach und nach alle restlichen Aufmüpfige mit der Sprache raus. Jawohl, wir wollen und machen die Super League. Also der Zeitpunkt war unglücklich, die Truppen waren noch nicht mal richtig gesammelt. Wenn ich von den angepeilten fünfzehn festen Vereinen lediglich vorerst zwölf vermelden kann, ist die Sache noch nicht abgeschlossen und voreilig angeschoben worden. Dann mit einem Ultimatum das Feld aufzustocken, grenzt an schiere Ohnmacht und pure Verzweiflung. Und überhaupt, wollten diese Clubs nicht den Fussball und somit die angeschlagenen Finanzbilanzen ihrer neuen Mitglieder retten? Dass Barca mit 1,2 Milliarden Schulden da mitmacht und klar, Real ist mit rund 850 Millionen Miese auch nicht unbedingt ein Vorbild. Für deren Situation habe ich sogar etwas Verständnis, aber kein Mitleid. Denn nur diese leicht verdienten Beträge sichern die Zukunft der spanischen Giganten, zumindest für ein paar Jahre. Es wird immer von den reichen Vereinen geredet, also zumindest die Vertreter von der iberischen Halbinsel sind gewiss nicht reich, höchstens an Schulden. Und dann die beiden Mailänder Rebellen? Deren Vergangenheit ist mit Sicherheit glanzvoll, aber die Gegenwart etwas angestaubt. Da wäre der Geldsegen gerade recht gekommen, es hätte die Chancen im Konzert der Großen verbessert. Über Juve braucht man nicht reden, deren Aktien könnten eh einen neuen Schub brauchen.
 Der größte Widerstand formierte sich im Mutterland des Fussballs. Einfach nur blöde, wenn die selbsternannten Retter keinen Rückhalt im gemeinen Fussballvolk finden und diese dumben Fans überhaupt nicht gerettet werden wollen. So verloren die Putschisten ihre Unterstützung, wenn es je welche gab, in kürzester Zeit und man ging im Strudel der Proteste unter. Was Tottenham so super macht, erschließt sich mir nicht. Höchstens das Stadion. ManU, Liverpool und Chelsea haben immerhin in den letzten Jahren internationale Titel gesammelt und im Prinzip am ehesten die Teilnahme im Kreis der Super League verdient. Aber nur aus diesem Blickwinkel betrachtet. Arsenal ist im Moment super hintendran, und ManCity? Über meinen englischen Lieblingsclub seit 1984 bin ich schon enttäuscht. Es tröstet nur wenig, dass die "Citizens" angeblich als letzter Club in den Kreis der vorläufigen Zwölf gefunden und dann flugs als Erste wieder ihren Rücktritt erklärt haben. Also so mit ganzem, heißem Herzen war man der Asthon New Road wohl nie bei dieser grotesken Aktion dabei. Wieso auch, ManCity hat das benötigte Kleingeld wirklich echt zur Verfügung und keine Schulden. Natürlich darf man die Nase rümpfen, dass die Petrodollars aus Abu Dhabi moralisch nicht vertretbar sind. Aber im Etihad Stadium war seither eher das Problem, das vorhandene Geld irgendwie zu verbuchen, während alle Clubs irgendwie ihre Schulden kaschieren mussten. Alles blöd.
 
Nun ist der Putsch vorbei, aber die Probleme nicht. Es wird weiterbrodeln, es wird wohl weiter im Untergrund nach anderen Lösungen gesucht werden. Es wird keine wirkliche, echte Ruhe geben.
 
Dafür sorgt schon die UEFA. Denn im Moment erscheint diese Organisation wie ein edler Verein, welcher sich rührend und einfühlend um seine Witwen und Waisen kümmert und für deren Rechte kämpft. Der neue Robin Hood kommt aus Slowenien. Alles nur blablabla. Die neu reformierte Champions League ist ein ebenso aufgeblasenes Projekt wie die geplatzte ESL, nur eben anders. Die UEFA hat einen Konkurrenz verhindert und die Fans auf der Straße verkennen, dass sie statt dem Löwen nun eben dem Leoparden vor den Rachen gesprungen sind. Diese Reformpläne sind ja nun raus und vorerst juckt das kaum jemand, ging ja alles in den Revolutionswirren unter. Kommt aber bald wieder ans Tageslicht. Wenn die UEFA den Fussball wirklich liebt, soll man lieber diese EM abblasen. Stattdessen wird trotz Corona dieser Wettbewerb durchgezogen, auf Inzidenzwerte komm raus. Mal sind 10.000 Zuschauer im Gespräch, mal 15.000. Abblasen, ersatzlos streichen. Fertig.
 
Ein große Verbündete der UEFA war die ... FIFA. Da kommt mir die Galle hoch. Nicht erst seit der Vergabe einer WM in das Wüstenparadies und Fussballmekka Katar ist mir dieser Geldclub äußerst unsympatisch, ich misstraue denen einfach und glaube ihnen kein Wort mehr.
 
In Deutschland wähnt man sich jetzt bei den moralischen Siegern. Wir haben es ja schon immer gewußt. Unser Fussball ist zwar nicht so toll, aber dafür sind wir Weltmeister im sozialen Bereich. Haha. Schon die ungleiche Verteilung der Fernsehgelder ist eigentlich ein Grund für den nächsten Putsch. Aber in Deutschland? Dafür sind wir zu träge und haben uns an die Tatsache gewöhnt, dass der Weißwurschdclub uns in allen Belangen beherrscht und die Untertanen der Bundeliga froh sind, einen solch gnädigen König zu haben.
 
Keep the faith
RaMü
 
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