Broken dreams

Hallo Bloggs. Nun ist die Niederlage der "three lions" eine Woche alt und fast kein Mensch redet mehr darüber. Die Stürme der Zeit fegen so schnell durch das Bewußtsein der Menschen, da bleibt für das Einsortieren und Ablegen der Themen keine Zeit mehr. Die Alltagssorgen rücken wieder in den Vordergrund, Corona und die Unwetterkatastrophe beherrschen nach wie vor die Schlagzeilen. Nur in Fussballengland scheint dieses Turnier in die dritte Halbzeit zu gehen. Es stehen nicht nur sportliche Apekte im Mittelpunkt, auch der gesamte Ablauf steht zur Diskussion. Sogar bis in die Debatten des "Houses of Parliament", also Westminster hat es diese EM geschafft.
Vordergründig steht natürlich die Niederlage. Nun hat man es nach quälend fünfundfünfzig langen Jahren mal wieder in ein Endspiel geschafft, dann diese Pleite, und dann noch im Wembley Stadium. Statt "Football it's coming home" sangen die Italiener hämisch ihre Version "It's going to Rome" und das ausgerechnet noch nach einem Elfmeterschießen. Höchste Demütigung, höchste Schmach. Broken dreams also.
Vor dem Match gegen Deutschland habe ich auf ein deutsches Weiterkommen getippt, aber nur mit folgendem Argument. Gereth Southgate ist ein noch schlechterer Trainer und Taktiker als unser Bundesjogi. Wir wissen wie es ausging. Natürlich entscheiden Kleinigkeiten, aber unterm Strich zählte das Ergebniss. England hatte zumindest gelernt. Dieses ständige Anrennen nach einer wie immer kräftezehrenden Saison der Premiership, eine solche Spielweise geben die ausgepowerten Körper nicht mehr her. Immerhin sind bis auf Trippier alle Nationalspieler auf der Insel beschäftigt. Das hat Southgate schon richtig erkannt und somit den gewohnten Powerfussball aufgegeben. Das Publikum musste lernen und zugleich profitierte England vom Spielmodus, diese EM geriet zur Heim-EM. Über die Wahl der Elfmeterschützen wurde schon trefflich gestritten, ich glaube, Gereth Southgate kann selbst nach einigen Wochen Distanz diese Entscheidungen noch nicht begründen. Spätestens hier verließ ihn das Bauchgefühl, den Rest kennen wir.
Allerdings dürfte das Geschehen rund um die Spiele im "Mekka des Fussballs" noch länger nachwirken. Mit jedem Match wurde es zum Teil beschämender, der "Fair play" Gedanke immer mehr in den Dreck gezogen. Der stetig überbordende Nationalismus wurde weder von der Politik ernsthaft in seine Schranken gewiesen, noch von der Mannschaft richtig abgelehnt. Das Endspiel wurde nicht ein Endspiel im Sinne des Fussballs, es geriet zur Fratze des Fussballs. Die beschämenden Ereignisse rund um das Wembley Stadium erinnerte vage an den Sturm auf das Kapitol in Washington D.C. Schwachstellen wie Behindertenzugänge waren militärisch ausgespäht und ausgenutzt. Insider sprechen später von geschätzten 5.000 Eindringlingen ohne Ticket. Diese unschönen Szenen dürfte wohl ein dicker Minuspunkt in der englischen Bewerbungsmappe für die WM 2030 sein. Obwohl die UEFA sich bei diesem Turnier als ein machtbewusster und skrupelloser Haufen geoutet hat, liegt die Entscheidungsgewalt trotzdem in deren Händen.
Allerdings gibt es eine vage Hoffnung für die Fussballfans auf der Insel. Schon in Kürze beginnen die nationalen Wettbewerbe und dann hat man reichlich Gelegenheit, diese Unsitten zu tilgen. Zumindest in der Öffentlichkeit. Zu guter Letzt bewirbt sich das gesamte vereinigte Königreich, also England, Schottland, Wales und Nordirland. Eventuell kommt sogar noch das EU-Land Irland dazu. Die große Frage ist nur, gibt es das "United Kingdom" dann noch? Der Brexit hat letztlich nicht nur nationale Töne gestärkt, sondern aber auch die Absetzbewegungen in Wales und speziell Schottland auf ein neues, stärkes Level gehoben.
Und so wird es kommen, wie es immer kommt. Sobald der Fussball wieder rollt, das "beautiful game" wieder seine Fans in den Bann zieht, ist das Meiste eh vergessen. Dann jubeln die Deppen auf den Rängen wieder ihren Helden im Vereinsdress zu, dann ist es egal, welche Hautfarbe man hat. Auf diese Faszination kann man sich verlassen. Diese Faszination verzeiht vieles, wenn nicht gar alles. Auch solche Auswüchse wie an dieser EM. Leider.
 
Keep the faith.
RaMü
 
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