Bittere Zeiten für süße "Toffees"

Hallo Bloggs,

irgendwie hat mich an diesem Tag der FC Everton begeistert. Es war beim ersten Heimspiel von ManCITY in dieser Saison gegen eben jenen FC Everton und schon bei der Mannschaftsaufstellung fiel mir die hohe Anzahl der englischklingenden Spielernamen auf. Das muss im Mutterland des Fussballs nicht unbedingt viel heißen, schließlich tummeln sich jede Menge  Spieler aus Schottland, Nordirland und Irland in der höchsten Spielklasse. Damals dachte ich mir, das nenn ich mal ein Vorbild. Everton spielte recht gut und kam im Etihad zu einem 1:1, die einzigen Punktverluste in der Premiership für ManCITY bislang. Schon in der Halbzeitpause studierte ich das Stadionheft recht intensiv und tatsächlich, in der Stammformation waren acht (!) Engländer. Wenn ich Engländer sage, dann sind das auch Engländer. Also nochmal; es waren keine Schotten oder Iren dabei. Da kann sich jeder (!) Bundesligist eine Menge abschneiden, dachte ich mir. Von der Premiership ganz zu schweigen.

Lange Zeit stand der blaue Club in Liverpool im Schatten des weltbekannten FC Liverpool, in dieser Saison wollte man raus. Aus dem Dunkel ins grelle Licht, lauete die Vorgabe in dieser Spielrunde. Man investierte rund 160 Millionen Euro, auch in England kein Nasenwasser. Man leistete sich mit Jordan Pickford vom FC Sunderland den teuersten englischen Torwart, blätterte für Michael Keane von Burnley rund 30 Millionen Pfund hin und hielt die "alten Schlachtrösser" Phil Jogielka und Leighton Baines. Als Zugpferd kehrte der verlorene Sohn Wayne Rooney wieder an den Goodison Park zurück und man leistete sich weitere Nachwuchskräfte aus den unterklassigen Ligen. Mason Holgate kam von Barnsley und zudem lieferte die Nachswuchsabteilung eifrig Nachschub, schließlich wurde in der Premiership 2 ( komplette Nachwuchsliga ) der FC Everton englischer Meister vor ManCITY. Besonders freuten sich die Tradionalisten über die Tatsache, dass auch gleich vier Akteure aus Liverpool kamen und nun die bauen Farben vertreten.

Es herrschte also eitel Sonnenschein, bei Saisonstart. Es begann gut, in drei Partien holte man sieben Zähler und stand auf Rang drei. In der Euro League lief es nicht ganz so rund, aber das war auf der blauen Seite des Stanley Parks fast egal, die Liga zählt.

Zwei volle Monate später steht man im Prinzip vor einem Trümmerhaufen. Der Faden ging nicht nur verloren, irgendwie wurde er gar abgeschnitten. Die Gesetze des Fussballs griffen dann auch beim FC Everton, Manager Koeman musste gehen, der Vorjahresheld wurde von Bord gejagt. Auslöser gab es viele. Der unerklärliche Absturz von Rang drei auf den drittletzten Platz in der Liga, fürcherliche Leistungen vor eigenem Publikum und auch in der Europa League gab es zuletzt unrühmliche Szenen. Diesmal aber vom Publikum. Da schlug ein Zuschauer mit seinem Kleinkind auf dem Arm auf einen Gästespieler von Lyon ein, der Nachwuchs mit dem Schnuller im Mund dürfte diese Szenen wohl nie vergessen. Es passte alles; die bescheidene Punktausbeute und das Verhalten im Goodison Park drumherum. Zusätzlich machte Wayne Rooney noch auf sich aufmerksam, der Torjäger bestätigte zunächst seine Verpflichtung, er war bei den führenden Torschützen dabei. Zunächst. Dann war Wayne Rooney wieder Wayne Rooney. Er fuhr in betrunkenem Zustand mit seinem Auto und musste sich vor Gericht verantworten. Der Verein setzte ihn auf die Ersatzbank, aber dem Team war da schon jegliche Ordnung entglitten. Der Verein handelte und nun sucht man wieder einen "harten Hund", welcher dem blauen Haufen wieder Zucht und Ordnung beibringt.

Jetzt ist Everton nun wieder ein typisch englischer Club. Der Kosename "Toffees" enstand vor rund hundert Jahren. In Stadionnähe gab es einen Bonbonladen, welcher die traditionellen Karamelbonbons selbst herstellte und an Spieltagen unmittelbar vor dem Ground verkaufte. Später soll dann ein Mädchen immer kurz vor dem Anpfiff Bonbons vom Spielfeld aus in die Ränge geworfen haben. So zumindest die Legende. Ein solch liebenswerte Vergangenheit schützt nicht vor der Verfehlungen der Gegenwart, es ist nur Beiwerk. Das aktuelle Stadion ist auch so ein Paradebeispiel. Seit 1892 spielt man im Goodison Park, und seither hat sich nicht viel verändert. Natürlich hat man modernisiert und umgebaut. Aber der Standort blieb und damit war man einer der letzten englischen Vereine, welche noch die alte Stadionkultur verkörperten. Damit soll aber bald Schluss sein.

Im Sommer 2017 kaufte man ein Stück Brachland in den Bramley Moore Docks direkt am River Mersey. Jetzt soll es endlich wahr werden, der Sprung aus dem Schatten der "Reds". Wenn der Kasten fertig ist, hat man sogar die Kapazität der "Anfield Road" übertroffen, mit den 60.000 Zuschauern will man dem Nachbarn Paroli bieten. So der Plan.

Im Moment ist das aber Zukunftsmusik. Schade, es hätte so schön sein können. Nach der "Leicesterstory" wäre nun die Fortsetzung fällig gewesen. Ein englischer Club mit großteils englischen Spielern, eigenem Stadion und dazu noch Erfolg, die Tradionalisten wären ausgeflippt. So ist der große Traum vorerst beendet, aber nicht aufgegeben. In Liverpool ist man Rückschläge gewohnt, das steht man immer wieder auf. Ob an der Anfield Road oder im Goodison Park, beide Grounds trennen eh nur eine Meile.

Everton auswärts: Manchester City - Everton am 25. September 2011.

Everton daheim: Everton - Stoke City am 4. Dezember 2011.

Noch spielen die "Toffees" in ihrem angestammten Ground. Das wird sich aber in den nächsten Jahren ändern. Das neue Grundstück wurde nach jahrelangem Gezerre endlich gekauft und ein Investor ist auch schon gefunden. Immerhin eine englische Bank.

Keep the faith.

RaMü