
Alter Tivoli
Hallo Bloggs. Was ich hier versuche ist eigentlich kompletter Blödsinn. Ich versuche das Unmögliche, das Außerirdische. Ich versuche Erinnerungen an uralte deutsche Stadionkultur zu beleben, ohne jemals dort gewesen zu sein. Deshalb werden sämtliche Anhänger von zum Beispiel Alemannia Aachen verächtlich grinsen, denn ich war persönlich nie da. Da, in einem der engsten und lautesten Fussballtempel in Deutschland, im legendären alten Tivoli zu Aachen.
Die meisten Leute kennen den Dom zu Aachen, das Wahrzeichen der Stadt und zudem UNESCO-Weltkulturerbe. Logischerweise hatte die Kommune ein weitaus größeres Interesse an diesem weltberühmten Aushängeschild als an einem alten, nach zwischenzeitlich über achtzig Jahre ergrauten Kasten. Hier gab es 2.215 Spiele mit 1.299 Siegen über 251 verschiedene Gegner. Aber der Zahn der Zeit nagte unbarmherzig. Es war zum Ende hin nur bröckelnder Putz, altertümliche Latrinen und schiefen Stufen auf den Rängen. Die Flutlichtmasten rosteten gemütlich vor sich hin und nicht überall war freie Sicht auf das Spielfeld garantiert. Und dann die Stimmung. Selbst der FC Bayern musste bei seinen letzten drei Auftritten im alten Tivoli die Segel streichen, gegen den "roar", garniert mit Bratwurstdurft und Bierfahnen kam niemand an. Seltsamerweise wurde das Ende ausgerechnet in eine der besten Zeiten der Aachener beschlossen, zumindest gefühlt. So nach der Jahrtausendwende war der Aufstieg nach mehreren Anläufen perfekt, eine Teilnahme an einem Endspiel um den DFB-Pokal bescherte gar internationalen Fussball. Mit dem Abstieg 2007 wurde der zähe Untergang eingeleitet, der Umzug in den neuen Tivoli im Jahre 2009 brachte keine Wende zum Guten.
Der Abriss erfolgte allerdings erst Jahre später, 2011 war es letztlich soweit. Und was sieht man heute?
Im Prinzip ist die Erinnerung dürftig. Auf dem heutigen Wohngebiet erinnern ein paar Straßennamen an die Haupttribüne oder die Stehwälle. Ein Kinderspielplatz ist in den schwarz-gelben Vereinsfarben gehalten, das wars. Unterhalb des Stadions gab es einen Kunstrasenplatz, welcher heute noch da ist, allerdings nicht mehr so richtig bespielbar. Das alles ist etwas mau. Im neuen Tivoli gibt es noch eine Tafel und ein paar Wellenbrecher aus dem alten Ground, diese wurden zu Stehtischen umfunktioniert. Enttäuschend. Die neue Arena ist an sich schon toll, aber mit dem Umzug wurde das Gegenteil eingeläutet. Zwei weitere Abstiege weiter kämpft der ruhmreiche Club erneut gegen ein weiteres Desaster, die Mittelrheinliga droht. Welch eine Tragödie. Da träumt wohl mancher alter Fan immer wieder denselben Traum, vom alten Tivoli mit seinen Holzbänken, vom Stadion ohne VIP-Logen und der Pissrinne, welche mit der Zeit überlief.

Das Stadion wurde zum Wohngebiet, zusätzlich noch ein großes Hotel errichtet. Die Straßennamen sollen die Erinnerung an das alte, ehrwürdige Stadion hochhalten.

Alle Straßennamen haben einen Bezug zum alten Tivoli.

Netter Versuch. Der Spielplanz ist in den Vereinsfarben gehalten, aber sonst?

Einzig der alte Kunstrasenplatz hat bislang überlebt. Aber dieser Platz gehörte nicht zum unmittelbaren Stadionbereich. Mich wundert, dass dieses Gelände noch im Orginal so besteht. Vermutlich rollen auch bald die Bagger an.

Oben wird wird fleißig gebaut. Dort befand sich die Stehtribüne Würselener Wall mit einem Treppenzustieg. Lange Zeit hofften die Fans, eben diese Treppe könnte erhalten werden. Aber irgendwann wurde auch diese Hoffnung abgerissen.

Das Laub sammelt sich auf den alten Stehrängen des Trainingsplatzes, die Ersatzbank gammelt vor sich hin. Die Natur übernimmt vorerst das Gelände und verleiht dem ansonsten tristen Anblick etwas Melancholie.

Hier eine Luftaufnahme während des Abrisses aus dem Jahre 2011. Deutlich zu sehen ist der alte Kunstrasen. Die neuen Spielfelder links befinden sich auf dem Parkhaus. © Alamy
Keep the faith.
RaMü
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